Bushidos schwule Expertisen

29 Nov

Die Entscheidung des Amtgerichts Berlin-Tiergarten, diverse Strafanzeigen gegen das Lied „Stress ohne Grund“ der Rapper „Bushido“ und „Shindy“ nicht zu verhandeln, da es sich beim Lied um Kunstfreiheit handeln würde, kann ich nach Lektüre des Songtextes durchaus nachvollziehen.

Sicher der Text ist grottenschlecht, geschmacklos, lächerlich und durchaus dazu geignet, Gewaltphantasien und Hass zu transportieren. Dennoch vertrete ich die Meinung, dass das Recht auf Meinungsfreiheit gerade im Kontext eines künstlerischen Anspruchs, ein zu hohes Gut ist, um diese mit der Verlockung auf ein schnelles Verbot zu unterminieren.

Dieser Meinung ist auch Jost Müller-Neuhof im „Tagesspiegel“:

Die Welt wäre ein besserer Ort, gäbe es diesen Mist nicht. Aber wäre sie dies auch, wenn das alles strafbar wäre? Die Kritik an Kunst darf geschmäcklerisch sein, ihre Rechte sind es nicht. Rap darf, was Satire darf: Fast alles.

Eine Passage aus Müller-Neuhofs Artikel will mir allerdings nicht so recht einleuchten:

Zur Beleidigung gehören, wie zur Provokation, immer zwei. Wenn Klaus Wowereit empfindlich wird, weil ein notorischer Anti-Schwuler ihn in herabsetzender Form als Schwulen besingt, hätte er sich vielleicht nicht als solcher outen sollen. Schwul ist schließlich keine Beleidigung, sondern Teil sexueller Identität. […] Es hat etwas Verkrampftes, sich aus politischen Spitzenpositionen heraus zum Opfer von kleinen Großmaultexten zu erklären.

Das klingt ein wenig wie: Selbst schuld, Wowereit, man kann sich nicht outen und sich hinterher darüber beschweren, dass manche Deine Homosexualität anstößig finden!

Selbstverständlich ist Schwul sein keine Beleidigung – für Wowereit, Müller-Neuhof und mich. Aber gilt das auch für Bushido? Vermutlich nicht und genau das ist der Punkt. Auch behindert zu sein, schwarz zu sein, Moslem zu sein oder Rapper zu sein, ist zunächst einmal eine Zustandsbeschreibung. Dennoch wäre es vermessen zu behaupten, derartige Eigenschaften könnten nicht in beleidigender und herabsetzender Weise verwendet werden. Der Ton macht eben die Musik.

Schauen wir uns daher doch mal einfach die als homophob gelabelten Passagen von „Stress ohne Grund“ an:

Es ist ganz normal, Männer lutschen keine Schwänze […]

Du wirst in Berlin in deinen Arsch gefickt wie Wowereit […]

Was für Vollmacht, du Schwuchtel wirst gefoltert

Den einzigen Satz, den man meines Erachtens als Straftatbestand werten könnte, ist letzterer. Den ersteren Satz könnte man gut und souverän kontern, es gibt schließlich Männer die Schwänze lutschen, und für uns ist das ganz normal, und wir machen es gerne, und Bushido sollte es vielleicht erst mal versuchen, bevor er sich darüber ein Urteil bildet.

Der zweite Satz bezieht sich konkret nicht auf Wowereit, sondern auf einen unidentifizierten „Du“ bzw. einen „Kay“, dem mitgeteilt wird, dass Berlin für ihn nichst weiter bereithält als einen immerwährenden Arschfick, eben so wie es auch bei Wowereit sei. Auch das könnte man als beleidigend ansehen, aber auch hier wäre es möglich, souverän zu kontern, dass es immerhin schlimmeres gibt als einen Arschfick (Rap zum Beispiel); vielleicht nicht für „Du“ bzw. „Kay“, aber für viele Schwule bestimmt nicht, und vermutlich  nicht mal für Wowereit.

Um eines klar zu stellen: Ich möchte hier niemanden das Empfinden absprechen, sich durch derartige Passagen entwürdigt oder erniedrigt oder beleidigt zu fühlen. Auch ich muss schließlich immer noch schlucken, wenn ich in der Öffentlichkeit den Satz vernehme, dies oder das sei doch voll „schwul“. Und auch die nette Bezeichnung „Arschficker“ empfinde ich nicht gerade als Kompliment.

Andererseits: ich bin nun mal ein Arschficker und ich bin schwul! Ich weiß, dass es Menschen gibt, die das nicht mögen. Und ich weiß, dass es Menschen gibt, die intellektuell nicht gerade gesegnet wurden. So wie halt Bushido. Aber, was weiß der denn vom schwulen Sex? Und wieso glaubt er, er habe die Deutungshoheit darüber, zu bestimmen, was männlich ist und was nicht?

Butter bei die Fische: Dieses Lied ist für mich kein Ärgernis. Wenn Deppen über „Schwuchteln“ und „Arschficker“ herziehen, dann ist das unschön, aber halt nicht anders zu erwarten, weil Deppen nun mal nicht anders können. 

2 Antworten zu “Bushidos schwule Expertisen”

  1. leon 29. November 2013 um 20:03 #

    Bei dem Satz „Andererseits: ich bin nun mal…“ habe ich echt lachen müssen. Ich finde es erfrischend und einfach schön, wenn Leute so zu sich selbst stehen können wie Sie.

  2. morus 3. Dezember 2013 um 13:19 #

    Irgendwie finde ich dazu den hier passend:

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