Im Westen ist’s am Besten

6 Mär

Vor kurzem wurde der neueste „Gay Travel Index“ veröffentlicht, der 138 Länder nach ihrer Freundlichkeit und Aufgeschlossenheit gegenüber schwulen und lesbischen Reisenden beurteilt. Die Ergebnisse sind wenig überraschend. Grob gesagt, lässt sich wieder die alte Weisheit zitieren: „Im Westen ist’s am Besten“.

Unbesorgt kann man in die Länder West– und Nordeuropas reisen, nach Kanada und in die USA, in die vier zivilisierten Länder Südamerikas, das heißt nach Argentinien, Brasilien, Chile und Uruguay, daneben nach Australien und Neuseeland, sowie nach Israel und Südafrika. Als nichtwestliches Land sticht alleine Thailand als homofreundlich heraus.

Wenn man keinen Heterosexuellen spielen möchte, sollte man überdies diskret im östlichen Europa und im westlichen Südamerika auftreten und die üblichen Verdächtigen meiden, das heißt sämtliche islamischen Länder, das gesamte Afrika außerhalb Südafrikas, und die ehemaligen Staaten der Sowjetunion, einschließlich Russlands.

Glücklicherweise bringen diese Ergebnisse meine Reiseplanungen nicht durcheinander. Bereits vor meiner homosexuell „aktiven“ Zeit hatte ich wenig Bedürfnis nach Asien, oder Afrika, oder Russland zu reisen. In ein Land, welches nicht annähernd den gleichen Lebensstandard wie Deutschland aufweist, fahre ich ohnehin nicht. Auch habe ich kein Interesse an exotischen Kulturen oder Sprachen. China zum Beispiel finde ich in etwa interessant wie trockenes Brot. Wenn ich Einsamkeit, Berge und Schnee möchte, dann fahre ich ins zivilisierte Kanada und nicht ins archaische Russland. Und die tropischen Strände des australischen Queensland sind denen in Afrika und Asien allemal vorzuziehen.

9 Antworten zu “Im Westen ist’s am Besten”

  1. Yadgar 6. März 2014 um 13:35 #

    „in die vier zivilisierten Länder Südamerikas, das heißt nach Argentinien, Brasilien, Chile und Uruguay“

    Nach allem, was ich über Argentinien, Uruguay und Chile mitbekommen habe scheint das im Großen und Ganzen hinzukommen… aber bei Brasilien wäre ich doch skeptisch, wenn ich mir z. B. ansehe, wie im amazonischen Hinterland mit politisch engagierten Gewerkschaftern und Öko-Aktivisten umgegangen wird – da gibt es durchaus noch von Großgrundbesitzern organisierte Todesschwadronen! Daneben noch die weit verbreitete Schuldknechtschaft insbesondere im Sertao, dem trockenen Nordosten mit Ausbeutungsverhältnissen, die durchaus als Sklaverei oder zumindest Leibeigenschaft bezeichnet werden können… also, „zivilisiert“ erschöpft sich nicht in der Toleranz gegenüber Homosexualität, da gehören auch noch andere Dinge zu.

    Unabhängig davon gibt es in Chile und Argentinien (weniger in Uruguay, dazu ist das Ländchen doch etwas zu klein und zu flach) außerdem atemberaubende Landschaften (Patagonien!!!), sogar für mich als Afghanistan-Freak ist etwas dabei, nämlich die „Andes Arides“ westlich der Sierra de Cordoba, die mit ihren Sechstausendern den Vergleich mit dem Hindukusch nicht scheuen müssen… ja, ich habe in den letzten Jahren durchaus mal mit dem Gedanken gespielt, Spanisch zu lernen und ab in den nächsten Flieger nach Buenos Aires oder Santiago… zumal der Prozentsatz an langhaarigen Männern zumindest in Argentinien signifikant höher zu sein scheint als anderswo, der (inoffizielle) Nationalheilige des Landes, wird gewöhnlich als langmähniger schnauzbärtiger Gaucho dargestellt!

    Leider ist Argentinien absolut nichts für meinen Herzkönig, der ist nämlich Vegetarier…!

    „Als nichtwestliches Land sticht alleine Thailand als homofreundlich heraus.“

    Japan? Taiwan?

    „In ein Land, welches nicht annähernd den gleichen Lebensstandard wie Deutschland aufweist, fahre ich ohnenhin nicht.“

    Das kann ich verstehen… dann würden aber auch die „vier zivilisierten Länder Südamerikas“ nicht in Frage kommen, andererseits aber durchaus Japan und Taiwan! Jedenfalls würde ich mich als Reicher unter lauter Armen auch nicht wohlfühlen – und die von linken „Alternativtouristen“ so gerne zur Schau gestellte gleichermaßen paternalistische wie kulturrelativistische Solidarität mit den Unterdrückten und Ausgebeuteten des Trikont (hach, das ist ja so autheeeeeeentisch hier und so uuuuuunberührt… und so wunderbar gaaaaaastfreundlich, das gibt es zuhause im kalten grauen ewig verregneten Autobahnland ja gar nicht mehr usw.) hilft da nicht im Geringsten, im Gegenteil, von westlichen Ethno-Romantikern musealisiert zu werden ist sicherlich das Letzte, was sich die Menschen in der „Dritten Welt“ wünschen!

    Ich kenne allerdings auch den Sound, demzufolge es Länder mit annähernd dem gleichen Lebensstandard wie Deutschland gar nicht gibt und statt dessen schon in Frankreich oder Großbritannien die allermeisten Menschen Tag für Tag ums nackte Überleben kämpfen müssen, weil da gibt es ja kein Hartz IV ™… „und nirgendwo hast du es so gut wie in Deutschland und dort insbesondere in Köln am Rhein“ (ein schwuler linkskatholischer Freund und verhinderter Psychotherapeut…)

    „Und die tropischen Strände des australischen Queensland sind denen in Afrika und Asien allemal vorzuziehen.“

    Bis auf das Problem mit den Seewespen und Irukandji-Quallen…

  2. Adrian 6. März 2014 um 14:04 #

    @ Yadgar

    Ich wusste, dass ich den Beitrag differenzierter hätte schreiben sollen 😉

    „aber bei Brasilien wäre ich doch skeptisch“

    Ja, Brasilien ist von diesen vier Ländern noch am unzuvilisiertesten, aber die Tendenz geht seit Jahren in die richtige Richtung.

    „Unabhängig davon gibt es in Chile und Argentinien (weniger in Uruguay, dazu ist das Ländchen doch etwas zu klein und zu flach) außerdem atemberaubende Landschaften (Patagonien!!!)“

    Patagonien ist in der Tat traumhaft – ich könnte mir gut vorstellen, mehrere Wochen dort unter Seelöwen, Orcas und Guanakos zu verbringen – und vielleicht einem Kerl, aber der muss nicht unbedingt sein 🙂

    „Leider ist Argentinien absolut nichts für meinen Herzkönig, der ist nämlich Vegetarier…!“

    Das ist in der Tat suboptimal. Wer in Argentinien keine Kuh verträgt, kann gleich einpacken 😀

    „Japan? Taiwan?“

    Japan wird laut Karte nicht explizit hervorgehoben, also habe ich es weggelassen. Wundert mich allerdings schon. Taiwan? Keine Ahnung!

    „dann würden aber auch die “vier zivilisierten Länder Südamerikas” nicht in Frage kommen“

    Na ja, zumindest Argentinien und Uruguay haben sich wirtschaftlich mächtig herausgemacht.

    „andererseits aber durchaus Japan und Taiwan!“

    Sidn zwar reich, mir aber zu exotisch.

    „Bis auf das Problem mit den Seewespen und Irukandji-Quallen…“

    Da ich ein Tierfreund bin, habe ich gegen die nix. Obwohl Australien, zugegeben, von der Fauna her bizarr ist: Die giftigsten Quallen, die giftigsten Schlangen, die gefährlichsten Krokodile und Haie. Man sollte aber die Fauna eines Landes kennen, und, vor allem in Nordaustralien, nicht in Flüssen und Seen schwimmen gehen und auch eher am Strand liegen, als im Meer zu baden.

  3. Yadgar 6. März 2014 um 15:37 #

    Da könnte man ja jetzt als Kontrast mal das mutmaßliche Ideal-Reiseland eines verbiesterten homophoben Reaktionärs, also eines Typs Mensch, der unter keinen Umständen für liberal, verweichlicht oder gar schwul gehalten werden will und außerdem mindestens unterschwellig sado-masochistische Neigungen hat, dagegen stellen:

    Es müsste bitterarm sein, knallhart monotheistisch-religiös (ob christlich oder muslimisch ist eigentlich gar nicht so wichtig, zumal der typische RrrrrrrechtsauSSen die „Musels“ heimlich um ihre Härte beneidet), von einer brutalen Diktatur beherrscht, am besten noch dazu ein Klima haben, in dem selbst die Oberschicht die meiste Zeit ums nackte Überleben kämpfen müsste (gelobt sei, was da harrrrrrrrt macht!), so ungefähr -60°C als Winter- und +40°C als Sommerdurchschnittstemperatur, dazu ständige Stürme und (in der warmen Jahreszeit) Überschwemmungen, Erdbeben und Vulkanausbrüche wären auch noch ganz nett, ferner überreich an lebensgefährlichen Großraubtieren, so dass die drei häufigsten Todesursachen dort Verhungern, Erfrieren oder von Wölfen, Bären oder Tigern Gefressenwerden sind.

    Glücklicherweise gibt es ein solches Land zumindest gegenwärtig nirgendwo auf diesem Planeten, es müßte eine Mischung aus Ostsibirien, Afghanistan und Nazideutschland sein…

  4. martin 6. März 2014 um 17:13 #

    Ich nehme an, es handelt sich um denselben Gay Travel Index, den man hier en detail studieren kann: http://www.spartacusworld.com/gaytravelindex.pdf. Und er ist nicht ganz frei von Bizarrem. Das fängt bei der Frage an, ob man das dort imaginierte schwule Ideal-Reiseland (Schweden) mit Antidiskriminierungsgesetzen usw. tatsächlich für so ideal halten mag – zugegebenermaßen eher eine Geschmacksfrage. Aber ob es für homosexuelle Touristen wirklich so entscheidend ist, ob das jeweilige Reiseland nun gleichgeschlechtliche Ehen kennt oder doch bloß eingetragene Partnerschaften oder ob es eine Gleichstellung im Adoptionsrecht zulässt?
    Wie dem auch sei, Japan und Taiwan finden sich in der Liste mit je einem Minuspunkt auf Platz 60 zwischen Aserbaidschan und Griechenland wieder. Im Falle Japans liegt es daran, dass man wohl keinen Grund für Bonuspunkte gefunden hat und stattdessen einen Punkt in der Kategorie „locals hostile“ abziehen musste. In Taiwan gibt es zwar einen Pluspunkt für LGBT-Marketing, dafür kosten offensichtlich bestehende Reisebeschränkungen für HIV-Infizierte zwei Minuspunkte.
    Ein hübsches Detail am Rande: Die Vatikanstadt rangiert, trotz mutmaßlich signifikanter Schwulendichte, unter ferner liefen noch hinter Simbabwe und diversen islamischen Staaten. Wenn man also in Rom ist (Italien: plus 1 Punkt) sollte man sich hüten, aus Versehen die Grenze zu übertreten (Vatikan: minus 7 Punkte). Dort drohen nicht nur ein erheblicher (negativer) religiöser Einfluss, sondern auch die Feindseligkeiten der einheimischen Bevölkerung und gar offene Schwulenverfolgungen. Man kennt sie ja, die Schwulenhatz in den Vatikanischen Gärten. Beinahe wäre da noch eine Reise nach Nigeria eher zu empfehlen, wo der negative religiöse Einfluss ungleich geringer ist und auch die lokalen Feindseligkeiten weniger arg. Bloß verhageln dummerweise die fünf Minuspunkte für gelegentliche Todesurteile die nigerianische Bilanz.

  5. Graublau 6. März 2014 um 19:52 #

    @Yadar:
    Ich bin vor Lachen fast vom Stuhl gefallen bei diesem Bild des idealen Urlaubslandes für Reaktionäre. Und tatsächlich kann mann sich jemanden wie Putin gut vorstellen, wie er mit nacktem Oberkörper durch eine verschneite Landschaft rennt und Bären abknallt.

    Mein Vorschlag wäre Turkmenistan. Unter anderem ganz weit hinten bei der Pressefreiheit.

    @Adrian: Dieser und der gestrige Artikel zeigen, dass die offizielle russische Linie durchaus ihre Logik hat: Verwestlichung ist gleich Verschwulung, weil es den Homosexuellen offensichtlich in den westlichen Industrienationen am besten geht. Insofern ist jede Warnung vor Verschwulung nichts anderes als eine Warnung vor Verwestlichung, wobei bei letzterer die Bevölkerung vielleicht inzwischen einfach zu abgestumpft ist. Ich schwanke hin und her, ob ich nicht einmal einen Artikel schreiben soll im Sinne von „Warum die Verschwulung der Welt eine großartige Sache ist für moderne heterosexuelle Männer“.

  6. gracuch 6. März 2014 um 21:43 #

    Ich finde diesen Gay Travel Index seltsam, unter welchen Kritierien macht er denn die Homo-Freundlichkeit aus? Auch finde ich es komisch, dass z.B. Island 0 Punkte für LGBTI-Marketing erhielten, wo gerade Reykjavík ziemlich stark um LGBTI Menschen wirbt. Ich würde Island sogar als „homofreundlicher“ als Schweden bezeichnen.
    Und warum zitierst du eigentlich die USA als Top Reiseland wenn es im Index auf Plat 30 gelistet ist? .o.

  7. Adrian 6. März 2014 um 21:57 #

    @ gracuch
    „Und warum zitierst du eigentlich die USA als Top Reiseland“

    Hab ich doch gar nicht.

  8. Robert Michel 6. März 2014 um 22:15 #

    Das Japan so schlecht abschneidet wundert mich sehr. Zumindest in dem Medien wird Homosexulität öfters und professioneller thematisiert als hierzulande (siehe etwa Yaoi).

  9. gracuch 6. März 2014 um 22:48 #

    @Adrian
    Ich dachte, weil du es zusammen mit Kanada nennst, welches ja tatsächlich ziemlich hoch eingestuft worden ist.
    Was nicht heißt, dass man nicht durchaus in einigen Bundesstaaten ungestört reisen kann.

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