Evangelikale gegen Disney

1 Mai

Don’t let them in,
don’t let them see
Be the good girl you always have to be
Conceal, don’t feel,
don’t let them know
Well now they know

So singt Elsa, Hauptfigur im neuesten Disney-Streifen „Die Eiskönigin – Völlig unverfroren“ (im Original: „Frozen“). Und hat mit diesen Zeilen nicht nur bei Adrian, sondern auch bei vielen Menschen weltweit Emotionen ausgelöst.

Elsa ist eine Prinzessin, und später Königin, eines Norwegen nachempfundenen fiktiven Königreiches. Seit ihrer Geburt besitzt sie die Fähigkeit, mittels ihrer Gedanken und Emotionen Schnee und Eis erschaffen zu können. Seit sie als Kind ihre Schwester Anna bei eben diesen Spielen mit Schnee und Eis versehentlich verletzt hat, lebt sie in Furcht vor ihren Fähigkeiten, bestärkt durch ihre Eltern, die ihr den Rat auf den Weg geben, „zu verheimlichen“ („conceal“), ihre Emotionen zu unterdrücken („don’t feel“) und niemanden wissen zu lassen, dass sie anders ist („don’t let them know“).

Nachdem sie am Tag ihrer Krönung in einem Streit mit ihrer Schwester, vor den Augen des ganzen Volkes und geladener Gäste, das Königreich in einen ewigen Winter stürzt („Well now they know“), kommt sie zur Erkenntnis, dass sie ihre Fähigkeiten nicht kontrollieren kann, flieht in die Berge, erschafft sich einen Eispalast, macht sich frei von gesellschaftlichen Konventionen und lässt ihren Gefühlen und Fähigkeiten endlich freien Lauf. „Let it go“ heißt dann auch der Titel des bereits verlinkten fulminanten Filmsongs, einem oskarprämierten Meisterwerk, zumindest wenn man – so wie ich – auf Disney-Filmmusik steht.

Selbstverständlich sind nicht alle von dem Film und dessen Botschaft begeistert. Amerikanische Evangelikale sehen im Disney-Streifen, sehen in Elsa, nicht weniger als einen Versuch, die „Homosexualisierung“ der USA voranzutreiben, da der Film kaum verhüllt die Botschaft übermittele, dass homosexuell zu sein, völlig in Ordnung sei.

Nun haben fundamentalistische Christen in den seltensten Fällen recht, in diesem Fall kommen sie der Wahrheit aber durchaus nahe. Selbstverständlich ist es nicht das Ziel von Disney, den Kindern die Homosexualität schmackhaft zu machen, aber nur ein Ignorant kann sich der Einsicht verweigern, dass Elsa und ihr Schicksal eine hervorragende Metapher für Homosexualität ist. Nicht umsonst ist der Film bei Schwulen und Lesben weltweit äußerst beliebt, wird Elsas Lied inzwischen tausendfach über das Internet verbreitet.

Es ist kaum vermessen zu behaupten, dass ein Großteil von LGBT sich mit Elsa identifizieren kann: von Kindheit an anders, von Gesellschaft und Familie gezwungen sich zu verstecken, und das was man fühlt zu verheimlichen, bis schließlich eines Tages der große Knall kommt, man die Restriktionen in einem überwältigenden Akt der Befreieung hinter sich lässt und so lebt wie man es möchte, zunächst vielleicht einsam, aber frei.

Aber wenn man Glück hat, braucht man nicht ewig alleine in seinem schönen aber kalten Eispalast zu verbringen, wenn man Glück hat, findet man, wie Elsa, die wahre Liebe in Gestalt eines Menschen, der einen so akzeptiert wie man ist. Und dann lernt man auch, seine Besonderheit nicht als Fluch zu sehen, sondern als Geschenk.

Homosexualität ist dabei eine offensichtliche, allerdings nicht die einzige mögliche Metapher. So schreibt Manuel Brug in der „Welt“:

Man kann tiefsinnig kulturphilosophisch über Disney-Außenseiter wie „Pocahontas“ (1995) und das männliche Mongolenmädchen „Mulan“ (1998) sinnieren, den kleinen Tomboy in „Lilo & Stich“ (2002) oder eben jetzt Elsa, die Eiskönigin. Sie alle wollen anders sein, akzeptiert werden, auch das eine zentrale Disney-Botschaft.

Es ist dabei kaum verwunderlich, dass amerikanische Evangelikale Sturm laufen gegen die Botschaft des Filmes. Denn er vermittelt zutiefst menschliche Werte, er vermittelt einen beeindruckenden Humanismus, er vermittelt eine Moral, die sich nicht auf das Gebot einer allmächtigen Autorität stützt, sondern auf Freundschaft, Liebe und Individualität.

Und was könnte schöner sein?

 

2 Antworten zu “Evangelikale gegen Disney”

  1. Atacama 1. Mai 2014 um 11:59 #

    Ich hab auch schon gelesen, dass Disney „die traditionelle Familie“ untergräbt, weil es oft keine vollständigen Familien gibt.
    Als Beispiele wurden die Schöne und das Biest, Arielle, Schneewittchen, Aschenputtel, Dornröschen und Aladdin genannt, weil entweder keine Eltern oder Alleinerziehende (in der Regel der Vater) vorhanden sind und es traumatische Familiäre Erlebnisse gibt, z.b Mufasas Tod.
    Märchen drehen sich seit Menschengedenken um „Aussenseiter“ oder Menschen die widrige Umstände überstehen, Grenzen überschreiten und am Ende wird alles gut.

  2. Robin Urban 1. Mai 2014 um 16:19 #

    „das männliche Mongolenmädchen “Mulan” (1998)“

    Uh… *facepalm*

    Ich bin heute zu platt für lange Ausführungen. Deshalb einfach nur: Ich mag Disney 🙂 (zumindest ab Arielle)

    Negative Kritik sagt oft mehr über einen Film aus als positive. z.B. wurde The Lego Movie dafür kritisiert, dass er Kindern beibringe, dass Großkonzerne schlecht sind. Ich hab noch nie eine negative Kritik gelesen, welche so sehr positive Aspekte eines Filmes herausgestellt hat 😀

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