Warum es Heteros einem unmöglich machen, seine Homosexualität „privat“ zu halten

29 Aug

Es gibt ja immer noch Heteros, die nicht verstehen wollen oder können, warum nicht wenige Schwule und Lesben spezifische auf sie zugeschnittene Dienstleistungen bevorzugen. Schnell kommt dann der Vorwurf, man würde seine Sexualität in den Vordergrund stellen und damit ein eher unwichiges Detail seiner Persönlichkeit zu einer Angelegenheit machen, die eigentlich keine ist. Heteros würden ihrer sexuellen Orientierung schließlich auch nicht sonderlich viel Bedeutung beimessen und diese statt dessen als Privatsache behandeln – so wie es sich gehört.

Dass sexuelle Orientierung aber eben nicht Privatsache ist und auch gar nicht sein kann, dass es eben nicht möglich ist, diese im Alltag dauerhaft zu verschweigen, davon kann man sich in einem Interview mit dem Finanzberater Florian Klein überzeugen, der sich speziell auf die Bedürfnisse schwuler Kunden eingestellt hat:

Viele Schwule und Lesben fühlen sich mit einem ebenfalls homosexuellen Berater jedenfalls wohler. Denn so tolerant, wie es oft dargestellt wird, ist unsere Gesellschaft noch nicht. Homosexuelle stehen immer wieder vor der Frage, ob sie sich outen sollen oder nicht. Das habe ich als Bankkunde selbst erlebt. Ich wollte Kapital anlegen und der Berater sagte, er würde eine Kollegin dazu holen, die sich besser auskenne. Mit einem Zwinkern fügte er noch hinzu, dass wir dann beide mehr Spaß hätten. Das war nicht nur eine sexistische Äußerung der Kollegin gegenüber. Ich habe mich auch gefragt, ob mir dieser Berater wirklich das beste Produkt empfehlen oder einen Kredit gewähren würde, wenn ich mich outen würde.

Wie diese Episode deutlich macht, wird einem von Seiten seiner heterosexuellen Mitmenschen deren sexuelle Orientierung stets und ständig als ein normaler Faktor des Lebens um die Ohren gehauen. Das ist dabei nicht als Vorwurf gedacht, da Sexualität nun einmal einen gewichtigen Teil der Persönlichkeit darstellt, die man schlecht verschweigen kann. Insofern ist das Verhalten des Bankberaters in Kleins Geschichte auch keine Frage von Toleraz und Intoleranz gegenüber Homosexuellen, sondern einfach einer Weltsicht geschuldet, in der jeder meint, dass der andere ebenfalls heterosexuell ist, was zwangsläufig dazu führt, dass man als Schwuler vor die Entscheidung gestellt wird, sich zu outen oder seine Homosexualität zu verheimlichen. Was für einen Hetero in einer solchen Situation überhaut keine Problematik darstellt, wird für einen Homo zu einem Abwägen zwischen Optionen und dem Einkalkulieren möglicher Konsequenzen: Soll ich mich outen? Wie würde mein Gegenüber darauf reagieren? Würde ich anders behandelt werden, als jetzt?

Ein weiteres Beispiel präsentiert Klein auf seiner Website:

Die Geschichte ging dann auf fachlicher Ebene weiter. Ich habe die nette und super aussehende Kollegin zu meiner Bank kommen lassen und bei der Angebotskalkulation kam die Frage auf:

Wen tragen wir denn als Hinterbliebenen für die 8.000 Euro Todesfallleistung ein? Ihre Eltern oder Ihre Freundin?“ 

Und wieder steht man vor der Frage, ob man sich outet oder nicht. Wie soll man da bitte schön die Erwartungen seiner heterosexuellen Mitmenschen erfüllen und seine sexuelle Orientierung „privat“ halten?

Am Besten ist es wohl, dass man diese Erwartungen ignoriert und seine sexuelle Orientierung ebenso frei lebt, wie es Heteros selbstverständlich tun. Wenn diese ein Problem damit haben, dann ist das halt deren Problem. Und wenn Heteros wollen, dass man sexuelle Orientierung als „Privatsache“ behandelt, sollten sie mit gutem Beispiel vorangehen, und bei sich selbst anfangen.

15 Antworten zu “Warum es Heteros einem unmöglich machen, seine Homosexualität „privat“ zu halten”

  1. derdiebuchstabenzaehlt 29. August 2014 um 06:47 #

    Adrian, das Interview mit diesem Bankberater macht nix deutlich, weil es reichlich dummes Zeug ist. Der Mann macht Werbung für sein Geschäft, das ist alles. So sehe ich diese Sache.

    Mir als Hetero (eigentlich als Mensch) ist es Wurst ob Homos was auch immer als Privatsache behandeln oder nicht und wenn die Homos meinen nur ein Homoberater hätte die Lösung ihrer Probleme, in diesem Fall der Bank und Geldprobleme dann ist mir auch dies wurst. Sie sollen dann aber nicht im nächstem Atemzug *Diskriminierung* schreien, wenn ein Hetero solches für sich auch nur von einem Hetero erwartet. Ist zwar ähnlich dumm aber was solls? Übrigens traue ich Bankberatern eh nicht, ob Homo oder Hetero ist egal … 🙂

    • Adrian 29. August 2014 um 14:27 #

      @ ddbz
      Und was konkret empfindest Du als „dummes Zeug“?

  2. derdiebuchstabenzaehlt 29. August 2014 um 16:11 #

    Die Verkaufswerbung von diesem Bankfritzen. Gibt es den schwulen Kredit oder die lesbische Geldanlage? Wenn ja, preist der die an und wo steht was davon in dem Interview?

    Wenn es darum geht, daß Homos nur bei Homos kaufen wollen … bitte, wers braucht. Ich jedenfalls habe sowohl schwule, lesbische und hetreone Bekannte. Mich interessiert das bei Geschäften oder sonst NICHT, mit einer Ausnahme aber das ist meine Privatsache und da wird sich auch nichts ändern.

    • Adrian 29. August 2014 um 16:17 #

      @ ddbz

      „Gibt es den schwulen Kredit oder die lesbische Geldanlage?“

      Das steht doch in dem Interview und auf der verlinkten Website. Nein, es gibt keinen „schwulen Kredit“ oder eine „lesbische Geldanlage“ aber ggf. und wahrscheinlich bestimmte andere Präferenzen, die sich aus dem Leben als Schwuler oder Lesbe ergeben. Und sei es, dass man es mit einem Bankberater zu tun hat, der einen versteht, weil er auch schwul ist.

      „Mich interessiert das bei Geschäften oder sonst NICHT, mit einer Ausnahme aber das ist meine Privatsache und da wird sich auch nichts ändern.“

      Lies Dir doch den Beitrag noch mal durch. Mag sein, dass es Dich nicht interessiert, aber es gibt genügend Menschen, die von Heterosexualität ausgehen, was für Homos dann genau jene Fragen aufwirft, die im Beitrag dargestellt worden sind.

  3. Ralf 29. August 2014 um 16:34 #

    Zum Beispiel der Klassiker: Frage nach dem Familienstand… es folgt stets die Notwendigkeit, zu erklären, was Lebenspartnerschaft ist und dass es sich eben gerade nicht um eine „Ehe ohne Trauschein“ mit einer Frau handelt. Anderer Klassiker: Man will als Mitversicherten nicht seine Frau haben, sondern seinen Mann, ebenso als Begünstigten oder als Nachfolger im Todesfalle. Stets die dumme Frage: Was? Ein wildfremder Mann? (Wir haben trotz Verpartnerung zwei verschiedene Familiennamen.) Nächster Klassiker: Ansprechpartner bei Abwesenheit oder Handlungsunfähigkeit… Noch ein Klassiker: gegenseitige Vollmachten… usw. usf. Man erntet immer wieder großäugiges Staunen und gerät in Erklärungszwang – warum denn das? was ist das? und wie läuft das? wer ist der denn? Klar, ich kann damit schon seit vielen Jahren umgehen und werde bei allzu viel Borniertheit auch schnell pampig. Aber nervig ist es schon, so gut wie nie von seinem Gegenüber als normal emfunden und eingestuft zu werden, sich immer erklären zu müssen. Andere mögen diese Erfahrung nie oder nur selten machen. Ich mache sie ständig. Da mag es schon Leute geben, die dabei eher Peinlichkeit, vielleicht sogar Scham empfinden (wenn das auch unsinnig ist) und deshalb lieber ihresgleichen als Berater, Bevollmächtigten, Vertreter, Verkäufer oder sonst was haben. Kann ich verstehen.

  4. allsurfer4 29. August 2014 um 16:48 #

    Ich muss ddbz in vollem Umfang recht geben.
    Es gibt nur 3 „jeweilige“ Menschen, die meine sexuelle Orientierung interessieren darf.
    „Jeweilig“, weil sie ja wechseln können.
    Das ist mein fester oder derzeitiger Lover, oder der Typ, auf den ich ein Auge geworfen habe, und bestenfalls noch der Barkeeper in meiner schwulen Stammkneipe.
    Ok, mein Freundeskreis sollte auch noch Bescheid wissen, vielleicht gibts da ja auch gewisse gegenseitige Interessen, und der eigenen Familie sollte man auch kein Theater vorspielen.
    Aber alle anderen hat meine sexuelle Orientierung einen feuchten Kehricht anzugehen.
    Die Frage „Outing oder nicht“ stellt sich überhaupt nicht, auch nicht beim Blutspenden.
    Wer mit seiner eigenen Outingfrage ein Problem hat, ist einfach zu dünnhäutig.
    Im Übrigen würde ich, wäre ich heterosexuell, das Outing eines homosexuellen Menschen unter Umständen als aufdringlich empfinden, es sei denn, die Situation würde das erfordern.
    Nun gibt es ja auch noch eine Vielzahl von Männern, denen sieht man es aus 100 Metern an, dass sie schwul sind, und da muss man sich auch nicht outen, man erkennt sich einfach.
    Ich kann meine sexuelle Orientierung durchaus frei ausleben, auch ohne es in die Welt hinaus zu rufen.
    Und sollte es mal wirklich um eine Todesfall-Summe gehen, dann ist der angegebene Mann eben ein enger Verwandter – der Geldberater hat sich einen Teufel drum zu scheren.

    • Adrian 29. August 2014 um 16:53 #

      „Ich kann meine sexuelle Orientierung durchaus frei ausleben, auch ohne es in die Welt hinaus zu rufen.“

      Aber nicht so, wie Heteros es können. Denn die rufen diese eigentlich immer in die Welt hinaus, ohne dass dies Anstoß erregt.

      Im Übrigen ist mir nicht ganz klar, wie Du mit Deinem festen oder derzeitigen Lover in der Öffentlichkeit verkehrst, ohne Deine sexuelle Orientierung in die Welt hinauszurufen. Das geht ja eigentlich nur, indem Ihr Euch in der Öffentlichkeit nicht als Lover verhaltet.

  5. allsurfer4 29. August 2014 um 17:11 #

    Ich muss noch was nachschieben, bezogen auf die von „Ralf“ geschilderte Situation.
    Fast jeder Mann hat irgendwelche Schwager oder Neffen, die gemeinhin andere Namen tragen, und die sich eignen könnten zum Übertragen von Handlungsvollmachten etc. etc.
    Wer solche Menschen nicht hat, muss sie eben erfinden.
    Vollkommen wurscht, wie andere Leute darauf reagieren.
    Um großäugigem Staunen bei der Preisgabe zu entgehen, gibt man halt erstmal keinen andern Menschen an, sondern erledigt das dann hinterher einfach schriftlich, das gilt auch für eine Verpartnerung und kann Jahre später noch gemacht werden.
    Das ist dann zwar auch eine Art Outing, aber man muss wenigstens keine dummen Kommentare und/oder ungläubige Blicke ertragen.
    Gerät man dann doch mal in eine Situation, wo man Farbe bekennen muss, dann sollte man das mit der größten Selbstverständlichkeit tun, derer man überhaupt fähig ist.
    Stets nach dem Muster, dass ein Schwuler ganz genauso normal ist, wie eine Hete.

    • Adrian 29. August 2014 um 17:15 #

      „Stets nach dem Muster, dass ein Schwuler ganz genauso normal ist, wie eine Hete.“

      Wenn es so wäre, warum sollte man dann Schwager oder Neffen erfinden?

  6. derdiebuchstabenzaehlt 29. August 2014 um 17:34 #

    @ Adrian

    „Aber nicht so, wie Heteros es können. Denn die rufen diese eigentlich immer in die Welt hinaus, ohne dass dies Anstoß erregt.“

    Adrian, Du hast nicht viel Ahnung. Ich kann Dir sagen, daß es nicht immer so ist. Ich werde keine persönlichen Begründungen geben, da ich meinen Privatkram aus solchen Foren raushalte.

    Was aber ist mit Paaren mit sehr grossem Altersunterschied (ich meine keine Pädos!), weiße Frau schwarzer Mann, behindert/nichtbehindert usw? Soll ich meinen Bankberater etwa nach seiner Meinung zu all diesen Themen befragen und aussuchen? Na toll. Übrigens wäre auch die Lieblingsfarbe des Beraters sehr wichtig oder was meinst Du …?

    Ich finde Du machst zuviel Wind um eine Sache die eigentlich kein laues Lüftchen verdiente!?

    Wenn DAS Eure Probleme sind, dann : Herzlichen Glückwunsch!

    • Adrian 29. August 2014 um 17:40 #

      „Adrian, Du hast nicht viel Ahnung.“

      Natürlich nicht.

      „Was aber ist mit Paaren mit sehr grossem Altersunterschied (ich meine keine Pädos!), weiße Frau schwarzer Mann, behindert/nichtbehindert usw?“

      Die werden dennoch fast immer als Hetero geframed, was sie ja auch fast immer sind.

      „Ich finde Du machst zuviel Wind um eine Sache die eigentlich kein laues Lüftchen verdiente!?“

      Ich mache eigentlich überhaupt keinen Wind, sondern schreibe nur über etwas, was mich interessiert.

      „Wenn DAS Eure Probleme sind, dann : Herzlichen Glückwunsch!“

      Es ist sicherlich ein geringes Problem, zumal aus heterosexueller Sicht, wenn man solches Problem gar nicht kennt.

  7. allsurfer4 30. August 2014 um 01:07 #

    @Adrian

    Wenn es so wäre, warum sollte man dann Schwager oder Neffen erfinden?

    Muss man ja meistens auch nicht, weil es sie eben gibt.
    Und wenn doch, dann nur deshalb, weil man die eigene Sichtweise bei vielen anderen gar nicht voraussetzen kann.

    „Im Übrigen ist mir nicht ganz klar, wie Du mit Deinem festen oder derzeitigen Lover in der Öffentlichkeit verkehrst, ohne Deine sexuelle Orientierung in die Welt hinauszurufen. Das geht ja eigentlich nur, indem Ihr Euch in der Öffentlichkeit nicht als Lover verhaltet.“

    Zumindest mal nicht so, dass man sich in der Öffentlichkeit gegenseitig abschleckt.
    Ich lebe meine sexuelle Orientierung nicht in der Öffentlichkeit aus, sondern zwischen meinen eigenen Wänden, Zuschauer brauche ich keine.

    • Adrian 30. August 2014 um 04:39 #

      @ allsurfer
      „Muss man ja meistens auch nicht, weil es sie eben gibt.“

      Aber ist das nicht ein Verstecken der sexuellen Orientierung, wenn man beim Aufkommen der Frage nach seiner Beziehung falsche Angaben macht? Und hat man die Frage „Outing oder nicht“ damit für sich nicht schon negativ entschieden?

      „Ich lebe meine sexuelle Orientierung nicht in der Öffentlichkeit aus, sondern zwischen meinen eigenen Wänden, Zuschauer brauche ich keine.“

      Also keine Küsse, kein Händchen halten, kein liebevolles Umarmen?

  8. Ralf 30. August 2014 um 14:40 #

    @ allsurfer4

    Gut, man kann sich natürlich bedeckt halten. Immer dann und überall dort, wenn und wo Heten ganz selbstverständlich Sachverhalte benennen, können Schwule und Lesben schweigen oder lügen. – Wollten wir mit dem Versteckspiel nicht eigentlich mal aufhören? Und was das „Ausleben“ der sexuellen Orientierung angeht… Das Offenbaren meiner Lebensumstände im Rechtsverkehr, wenn danach gefragt wird, empfinde ich nicht als „Ausleben von Sexualität“. Wenn ein Mann gefragt wird, ob er verheiratet ist, ob er Kinder hat, mit wem er zusammenlebt, wen er bevollmächtigen will, und daraufhin Frau und Kinder nennt, wird er das kaum als „Ausleben seiner Sexualität“ wahrnehmen. Du sitzt dem alten Spielchen auf. Wenn Heten von ihren Lebensumständen reden, ist das normal – aber wenn Schwule das tun, ist es öffentliche Sexualpraxis. Du hast Dein Coming out noch vor Dir.

  9. markus 3. September 2014 um 14:51 #

    Ich sehe es so wie ddbz und allsurfer. Was geht es andere Leute an mit wem ich ins Bett gehe.

    Ich mag Frauen und Männer gleichermassen, bin also weder schwul noch hetero…was soll ich mich da outen? Sich als bi outen ist mir irgendwie zu dumm. Mich als schwul zu outen waere falsch. Sollen die Leute doch denken was sie wollen.

    Selbst wenn ich ich zu 100% schwul wäre würde ich mich nicht outen. Wozu???

    Um dann mit denen in einen Topf zu geworfen zu werden die sich beim CSD blamieren?Einfach nur peinlich. Alles was die verzapfen fällt auch auf mich zurück.

    @ allsurfer

    „Nun gibt es ja auch noch eine Vielzahl von Männern, denen sieht man es aus 100 Metern an, dass sie schwul sind, und da muss man sich auch nicht outen, man erkennt sich einfach“

    Ja das meine ich auch.

    Aber auch bei denjenigen denen man es nicht sofort ansieht kann man es schnell heraufinden.

    Ich flirte gerne mit Maennern und wenn einer zuruecklaechelt dann ist er in der Regel auch vom anderen Ufer. Nur bei Suedlaendern lasse ich das meist lieber…

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