Obwohl das Jahr 2017 noch ein wenig in der Zukunft liegt, hat Nicolas Sarkozy offenbar bereits den französischen Wahlkampf eröffnet. Und was bietet sich da eher an, als populistische Phrasen unter’s Volk zu werfen?
So weit, so banal. Denn wann hätte man schon einmal von einem Politiker gehört, der sich lobend über den parteipolitischen Gegner äußert? Was Sarkozy zur Eheöffnung für Schwule und Lesben in Frankreich zu sagen hat, ist aber selbst für eine Konservativen ausgesprochen töricht:
Und wie wurde die gleichgeschlechtliche Ehe in Frankreich eingeführt? Durch Mehrheitsentscheidung in beiden Kammern des Parlaments bei gleichzeitiger mehrheitlicher Befürwortung durch die Bevölkerung. Abscheulich, in der Tat!
Man könnte diese Aussage auf zweierlei Weise kontern: Erstens gibt es in einem demokratischen Prozess nun mal Verlierer. Das lässt sich nicht ändern.
Und zweitens, indem man die Frage stellt, was denn bitte schön an der gleichgeschlechtlichen Ehe erniedrigend sein soll. Wie kann man sich erniedrigt fühlen, durch etwas, dass eine Ausweitung von Rechten und eine Option darstellt? Es ist immerhin nicht so, als ob die heterosexuelle Ehe und die klassische Familie in Frankreich nun verboten sind und man gezwungen ist, den Partner des gleichen Geschlechts zu ehelichen.
Im Übrigen gibt es in Frankreich und weltweit ganz sicher Menschen, die sich durch die Tatsache erniedrigt fühlen, dass Sarkozy – immerhin bekennender Katholik – bereits zum dritten Mal verheiratet ist. Das ist allerdings seine private Entscheidung und geht andere Menschen nichts, aber auch absolut gar nichts an. Ebenso wie es andere Menschen nichts anzugehen hat, wenn zwei (und von mir aus auch drei, vier oder ein Dutzend) Menschen gleich welchen Geschlechts einander heiraten möchten. Ich meine, ganz ehrlich: Wäre es nicht angebrachter, seine Aufmerksamkeit dem eigenen Leben zu widmen, anstatt anderen vorschreiben zu wollen, wie sie ihr Leben zu gestalten haben?
Im Lichte dieser Ausführungen sei hier abschließend der Aufschrei eines Lesers von queer.de zitiert:
Und obwohl ich eine Vorliebe für Contenance pflege, habe ich dieser Unflätigkeit nichts mehr hinzuzufügen.
Gleichberechtigung = Erniedrigung! 🙂
Mit solchen Äußerungen tut sich Sarkozy wahrscheinlich keinen Gefallen.
Es ist ja nicht zu bestreiten, dass eine große Zahl von Menschen es nicht ertragen kann, wenn Rechte, die sie ganz selbstverständlich wahrnehmen, auch anderen zugebilligt werden. Es ist ja nicht zu leugnen, dass viele Menschen sich nur wohlfühlen, wenn andere benachteiligt werden. Dem sich darin äußernden massiv gestörten Verhältnis dieser Leute zu Menschenwürde und Grundrechten lässt sich aber nicht beikommen, indem man sich ihm unterwirft, d.h. indem man gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit zur Leitlinie der eigenen Politik macht. Im Gegenteil würde man damit die Grundlage einer jeden modernen pluralistischen Gesellschaft und eines jeden auf der rechtlichen Gleichheit seiner Bürger beruhenden Staatswesens zerstören. Diese Grundlage bezeichnen die Begriffe Vielfalt und Freiheit. Sarkozy verneint diese Begriffe und stellt sich auf die Seite von politischem und religiösem Extremismus. Wenn er glaubt, auf diese Weise den Front National rechts überholen zu können, um die nächste Wahl zu gewinnen, irrt er sich. Er ebnet einer Präsidentin Le Pen den Weg.
@ Ralf
Gleichberechtigung gibt es auch bei uns in der BRD nicht. Die ist offensichtlich von den Wählern, den Politikern, den Regierungen und den Gerichten NICHT gewünscht. Dieser Zustand scheint fast niemanden zu stören. Wir sollten deswegen nicht so hochnäsig nach Frankreich oder Russland zeigen, bei uns hätten wir genug zu tun. 😦
Aber ich will nicht vom Thema ablenken …
@ derdiebuchstabenzählt
Völlig richtig, Frankreich ist viel weiter als Deutschland. Bei uns regiert ja Sarkozys Busenfreundin.