Gay West unterstützt den folgenden Offenen Brief:
Gegen Trans*-Diskriminierung!Solidaritätserklärung für Lann HornscheidtWir leben in einer Gesellschaft, in der Geschlecht eine sehr wichtige Kategorie ist, mit der Menschen eingeteilt werden. Die Einteilung in entweder „Mann” oder „Frau” ist für viele Menschen stimmig und wird zumeist unhinterfragt als scheinbar naturgegeben hingenommen.Nicht alle Menschen finden diese Einteilung für sich stimmig. Personen, die dieser bei Geburt vorgenommenen Zuschreibung („biologisches Geschlecht”) oder den daran geknüpften Erwartungen an Mannsein und Frausein („soziales Geschlecht”/ Gender) nicht entsprechen, werden problematisiert und sind bis heute massiver Diskriminierung ausgesetzt.Die Medienhetze gegen Lann Hornscheidt verdeutlicht das Ausmaß an fehlendem Wissen, an Starrheit und Hass, mit dem in Deutschland auf Personen reagiert wird, die dem zweigeschlechtlichen Kategorisierungszwang nicht entsprechen können oder wollen.
Trans*-Diskriminierungen reichen von Angestarrtwerden, verbaler Gewalt durch Beschimpfungen und Drohungen über das Ausblenden der eigenen Lebensrealität im öffentlichen Diskurs – in Medien, in der Gesetzgebung und dem Bildungssystem – bis hin zu körperlicher/sexualisierter Gewalt oder sogar Mord.Lann Hornscheidt forderte auf der eigenen Homepage für sich eine Ansprache ohne Geschlechtszuweisung – also beispielsweise mit der x-Form: „Profx” statt „Professor” oder „Professorin”, „x” statt „seiner” oder „ihrer”. Was darauf folgte, war eine massive Medienhetze in Zeitungen ebenso wie im Web2.0, die von neurechten bis in die sogenannten bürgerlichen Medienorgane reichte.Ein beliebtes argumentatives Muster, das medial immer wieder und so auch hier Verwendung findet, wenn es um den Umgang mit von Diskriminierung betroffenen Personengruppen geht, ist das der „Neutralisierung” oder „Umkehrung”. Wissenschaft, Schulbildung oder Sprache werden dabei als grundsätzlich neutral, objektiv und frei von Macht und Interessen dargestellt, während Emanzipationsbestrebungen in diesen Feldern als Machtanspruch übermächtiger Interessensgruppen interpretiert werden. In dieser Argumentationskette ist etwa die Rede von einem übermächtigen Staatsfeminismus, von Kadern oder von Homosexuellenlobby. Die Personengruppe, die von Zweigenderung und Heteronormativität profitiert und deren Risiko, Diskriminierung und Gewalt zu erfahren, am geringsten ist, inszeniert sich auf diese Weise als Minderheit und stellt sich als Opfer dar.Lann Hornscheidt hat bei der sprachlichen Anwendung der x-Form keine allgemeingültigen Regeln aufgestellt. Es ging Lann Hornscheidt lediglich um die Selbstdefinition, das Recht sich selbst nicht in Zweigeschlechtlichkeit einordnen zu müssen und dafür Worte und Formen zu finden.Auch die Broschüre der AG feministisch SprachHandeln will lediglich Vorschläge aufbringen, und Leute zum Nachdenken einladen. Doch selbst diese leise Intervention führt zu lauten Reaktionen, zu Niederbrüllen und Hass.Diskriminierungen beginnen bereits bei der zweigeschlechtlichen Zwangszuordnung von Neugeborenen in entweder männlich oder weiblich. In diesem Zusammenhang werden in Deutschland immer noch semi-legale körperliche Zwangseingriffe inklusive Operationen zur „Geschlechtsvereindeutigung” an intersexuellen Neugeborenen durchgeführt. Die offizielle Nicht-Anerkennung, Verwerfung und Pathologisierung von Menschen, die der Zweigeschlechtlichkeit nicht entsprechen, wird insbesondere durch zweigeschlechtliche Staatsbürger/innenschaftsnormen und ihre institutionalisierte Durchsetzung in allen Lebensbereichen und öffentlichen Diskursen (Kita, Schule, Ausbildung, Forschung, Sozial- und Gesundheitswesen, Medien etc.) ermöglicht. Diese Normen schließen Menschen jenseits der Zweigeschlechternorm strukturell aus.Diskriminierung und Gewalt gegen Trans*- und Interpersonen und auch gegen Queers, Lesben und Schwule sind Alltag. Diesbezügliche Verbesserungen mussten immer mühsam und gegen harte Widerstände erkämpft werden: Beispielsweise dass Frauen eine Hochschule besuchen dürfen und wahlberechtigt sind. Oder dass „homosexuelle Handlungen” nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden.Das deutsche Transsexuellengesetz ermöglicht bestimmten Trans-Menschen, ihren Vornamen oder rechtlichen Personenstand zu ändern, schließt jedoch viele, die sich nicht „gegengeschlechtlich” identifizieren oder sich nicht der geforderten psychiatrischen Zwangsbegutachtung samt Diagnose „Transsexualismus” unterwerfen wollen oder können, von Vornamens- oder Personenstandsänderung aus. Bis 2011 mussten sich Trans-Menschen für die rechtliche Personenstandsänderung in Deutschland zwangssterilisieren lassen, was eine fundamentale Menschenrechtsverletzung auf körperliche Unversehrtheit und Recht auf Familie darstellte.Die stattfindende äußerst gewaltvolle, transfeindliche und heterosexistische Medienhetze gegen Lann Hornscheidt kann nicht losgelöst von der staatlichen, institutionellen, kulturellen und alltagsweltlichen Diskriminierung von Trans*-, genderqueeren und Inter-Menschen betrachtet werden. Diese Hetze reiht sich ein in eine Kontinuität von entmenschlichenden Darstellungen und Hasssprachegegen Trans- und gender-variante Personen. Diese Menschen werden als psychisch krank und „abnormal” in den deutschen Medien und Universitäten dargestellt.Bei der aktuellen Diskussion geht es fraglos um mehr als um eine spezifische Sprachform: Es geht um die Anerkennung von Menschen, die jenseits, zwischen, außerhalb der normativen Cis-Zweigeschlechtlichkeit leben.
Wir solidarisieren uns mit Lann Hornscheidt und allen anderen, die von struktureller Trans-Diskriminierung und Gewalt betroffen sind!Wir schließen uns zusammen gegen Entmenschlichungen, Demütigungen, Hetze und Gewalt gegen Menschen, die sich außerhalb der (hetero)normativen Zweigeschlechtlichkeit definieren!Wir solidarisieren uns mit kritischen Wissenschaftler_innen, die gegen Trans-Diskriminierung, Heterosexismus und andere Herrschaftsverhältnisse Gesicht zeigen und die von anti-feministischer und/oder rechter Seite bedroht wurden oder werden!
Mehr Infos und die Möglichkeit, die Erklärung zu unterzeichnen, finden sich hier
Nanu, hat hier noch keiner herumgepoltert?
Ich finde den offenen Brief ziemlich überzogen. Was ich unterstütze: Persönliche Angriffe sollten auf jeden Fall vermieden werden. Wenn es eine Auseinandersetzung mit Hornscheidt geben soll, dann soll sie auf der Sachebene ausgetragen werden. Ich kann auch Hornscheidts Forderung akzeptieren, sich nicht in klassischer Zweigeschlechtlichkeit verorten zu wollen. Auch ist es in Ordnung, wenn Hornscheidt eben dazu schreibt und Vorschläge entwickelt, wie damit umzugehen sei.
Wie man Hornscheidts Agieren bewerten muss, kann ich nicht sagen. Man müsste die Studis befragen, um herauszufinden, ob die Anrede „Professx“ Zwang oder Freiwilligkeit ist. Zwang wäre schlecht.
Der offene Brief strotzt in meinen Augen vor Kampfvokabeln. Mit solchem Szenesprech kann man eigentlich nur die eigenen Leute um sich scharen. Andere Leute werden genervt abwinken, wenn sie Sätze wie diesen lesen:
„Die stattfindende äußerst gewaltvolle, transfeindliche und heterosexistische Medienhetze gegen Lann Hornscheidt kann nicht losgelöst von der staatlichen, institutionellen, kulturellen und alltagsweltlichen Diskriminierung von Trans*-, genderqueeren und Inter-Menschen betrachtet werden.“
HIer sollte man doch mal einen Gang zurück schalten. Es wäre schon sinnvoll, den gemeinen Normalbürger auch dort abzuholen, wo er steht, nämlich bei seinem Alltagsverständnis. Man will etwas vom Normalbürger, nämlich ein Umdenken. Das gelingt aber kaum durch eine sehr gruppenspezifische Sprache.
Sofern man aber doch gezwungen wird, die eigene sprache zu verstümmeln, sollte eine Abwägung schon angebracht sein, was auch vielleicht die frage „Was hat Lann Hornscheidt getan?“ beantwortet. Was überwiegt hier also – der Respekt vor Hornscheidts Wunsch, sich „angesprochen“ zu fühlen(!) und „Machterhältnisse aufzudecken“ oder die Weigerung, eigene Sprache nicht ideologischer Verbrämtheit anzupassen. Für letztere gibt es gute Gründe, ohne das Ungenügen von Zweigeschlechtlichkeit zu leugnen.
„Wir solidarisieren uns mit kritischen Wissenschaftler_innen, die gegen Trans-Diskriminierung, Heterosexismus und andere Herrschaftsverhältnisse Gesicht zeigen und die von anti-feministischer und/oder rechter Seite bedroht wurden oder werden!“
Das wäre ja dann, wenn ich es richtig verstehe, eine solidarisierung mit zB Feministischer „Wissenschaft“ ´, die Herrschaftsverhältnisse wie etwas die des „WHM“ Gesicht zeigen
Ist das jetzt ein Schnellschuss, um deinen Status nach acht Jahren gay west und ausgiebigen Diskussionen mit Männerrechtlern wieder emanzipatorischen Schwung zu geben?
Du siehst, wie die Autoren des offenen Briefes, auch
1. die Medienhetze gegen Lann Hornscheidt
2. das Ausmaß an fehlendem Wissen, an Starrheit und Hass bei den Hetzern
3. die gewaltvolle, transfeindliche und heterosexistische Medienhetze
4. die Genderideologie als Erbin des Wahl- und Bildungsrecht für Frauen
und auch du bist gegen den Heterorsexismus und gegen den Anti-Feminismus.
Ich wusste gar nicht, dass du dir dieses Gendergequatsche zueigen machst.
Schalte doch wieder deinen kritischen Geist ein: die „Hetze“ richtet sich in erster Linie an die Art der Forschung, die durch Hornscheidt betrieben wird. Ihr wird Unwissenschaftlichkeit vorgeworfen. Dass die Genderfuzzis daraus einen Angriff auf ihre Lebensweise konstruieren, ist eine gängige feministische Methode, die hier nicht weiter erklärt werden muss. Hätten die Autoren die Fragen von Michael Klein hinsichtlich der Tragfähigkeit der wissenschaftlichen Arbeit von Hornscheidt beantwortet, wäre dies eine adäquate Reaktion auf seine Kritik.
Aber dieser offene Brief?
@ all
Man kann sich natürlich einige Formulierungen und Sätze dieses Briefes herauspicken und diese so lange unter dem Mikroskop begutachten, bis man irgendwas findet, was einen stört. Ich, Adrian, unterstütze den offenen Brief, weil ich das Kernanliegen für gerechtfertigt halte.
@ j
„Was überwiegt hier also – der Respekt vor Hornscheidts Wunsch, sich “angesprochen” zu fühlen(!) und “Machterhältnisse aufzudecken” oder die Weigerung, eigene Sprache nicht ideologischer Verbrämtheit anzupassen.“
Es ist keine „ideologische Verbrämtheit“ sich der Zweigeschlechtlichkeit nicht zugehörig zu fühlen. So wie es auch keine „ideologische Verbrämtheit“ darstellt, als Mann auf Männer zu stehen – das nur als Vergleich.
Ideologische Verbrämtheit ist es da schon eher, Menschen, gegen deren Willen in die Kategorie der Zweigeschlechtlichkeit zu pressen, nur weil die Mehrheit in dieses Raster passt und man das bislamg immer so gemacht hat.
@ C
„Das wäre ja dann, wenn ich es richtig verstehe, eine solidarisierung mit zB Feministischer “Wissenschaft” ´, die Herrschaftsverhältnisse wie etwas die des “WHM” Gesicht zeigen“
Das ist Deine Interpretation.
@ quellwerk
„und auch du bist gegen den Heterorsexismus und gegen den Anti-Feminismus.“
Ja, bin ich.
„Schalte doch wieder deinen kritischen Geist ein“
Kritisch im Sinne von, „den Makulisten genehm“?
„die “Hetze” richtet sich in erster Linie an die Art der Forschung, die durch Hornscheidt betrieben wird.“
Ach Blödsinn. Ich möchte einen dieser „Kritiker“ sehen, der auch nur einen Hauch Ahnung davon hat, was Hornscheidt für Forschungen betreibt.
„Dass die Genderfuzzis daraus einen Angriff auf ihre Lebensweise konstruieren, ist eine gängige feministische Methode, die hier nicht weiter erklärt werden muss.“
Ich habe dieses binäre Freund-Feinddenken satt und möchte Begriffe wie „Genderfuzzies“ nicht mehr auf diesem Blog lesen.
„Hätten die Autoren die Fragen von Michael Klein hinsichtlich der Tragfähigkeit der wissenschaftlichen Arbeit von Hornscheidt beantwortet, wäre dies eine adäquate Reaktion auf seine Kritik.“
Adäquat wäre es m. E., wenn Klein nicht über Dinge schreiben würde, von denen er nichts versteht und von denen er auch nichts verstehen will.
@Lomi:
»Der offene Brief strotzt in meinen Augen vor Kampfvokabeln. Mit solchem Szenesprech kann man eigentlich nur die eigenen Leute um sich scharen.«
Das sehe ich ganz genau so. Dieser Offene Brief ist ein einziges Buzzword-Bingo, was dafür spricht, dass er vor allem eine nach innen gerichtete Appellfunktion hat: eine Predigt an die bereits Bekehrten, ein Aufruf zum solidarischen Schulterschluss unter Gläubigen. Ich kann mich auch nicht der Behauptung anschließen, dass es sich bei der Kritik an Hornscheidt um eine »äußerst gewaltvolle Hetze« handelt, ebensowenig sehe ich »entmenschlichende Darstellungen und Hasssprache«. Hier werden ganz offensichtlich der erhofften Mobilisierungswirkung wegen Stereotype aktiviert, es wird sozusagen der szeneinterne Gestellungsbefehl zugestellt, nachdem DEFCON 2 (Mobilisierung der Reserve) ausgerufen wurde.
Dass die Kommunikation der Hornscheidtschen Filterblase mit der gesellschaftlichen Umwelt unterbrochen ist, zeigt sich durch den Rückgriff auf »taktische« Analysen: die Antikritik benennt nicht konkrete Inhalte und Beispiele, sondern summiert zu Wertbegriffen auf und beanstandet »Muster« und »Inszenierungen«. Was aus der Perspektive von Hornscheidts Kritikern ein empirischer Tatbestand ist, nämlich die Existenz eines »übermächtigen Staatsfeminismus« und eines »verkaderten« Feminismus, wird als reine Diskurstaktik dargestellt – was man unter dem Gesichtspunkt der »Ausübung von Diskursmacht« wiederum durchaus als feministischen Gewaltakt deuten könnte.
Auch wenn ich Forderungen nach einer Amtsenthebung rein inhaltlich für überzogen halte, hat die Kritik an Hornscheidt die feministische Filterblase offenbar wirkungsvoll durchbrochen. In dieser Hinsicht hat der Offene Brief sogar recht, wenn er die geübte Kritik als *Angriff* sowie eine über das Inhaltliche hinausgehende Aggressivität wahrnimmt. Doch dass diese Aggressivität mit »entmenschlichenden Darstellungen und Hasssprache« gleichbedeutend sein soll, halte ich für grotesk. Tatsächlich besteht die Schwäche von Hornscheidts Umfeld genau darin, dass sie einem zwar moderat aggressiven, aber dennoch inhaltlich unterfütterten Angriff nicht mal ansatzweise auf der inhaltlichen Ebene begegnen kann.
Wer zwischen inhaltlicher Zustimmung auf der einen und »entmenschlichender Hetze« auf der anderen Seite keine Zwischenzustände wahrzunehmen vermag, lebt innerhalb eines manichäischen Weltbildes. Woraus man die Folgerung ziehen könnte, dass sich »Feminismus« auf der inhaltlichen Ebene gar nicht mehr verteidigen lässt. Vielleicht nähern wir uns ja DEFCON 1 …
@djadmoros: Wer Morddrohungen und die Androhung von Gewalt für moderat aggressiv hält, ist für mich kein ernst zu nehmender Gesprächspartner.
@Damien:
»Wer Morddrohungen und die Androhung von Gewalt für moderat aggressiv hält, ist für mich kein ernst zu nehmender Gesprächspartner.«
Bitte sehr. Wie Du meinst. Aber Morddrohungen finden sich im irgendwo Internet zu jedem halbwegs aufgeladenen Thema, ebenso wie (zum Beispiel bei Telepolis) explizite Kastrationsdrohungen gegen Männer – im Web findet sich umstandslos (fast) alles veröffentlicht, was zu früheren Zeiten nur am »Stammtisch« ausgesprochen wurde. Zumal das von Dir verlinkte Interview außer dem Stichwort selbst keine Quelle nennt. Meine Formulierung »moderat aggressiv« bezog sich im übrigen auf den Artikel von Klein und Diefenbach.
Ansonsten verstehe ich durchaus, dass Adrian bei diesem Thema (bei dem er potentiell anders betroffen ist als zum Beispiel ich) offensichtlich seinem Gefahreninstinkt folgt, das würde ich bei anderen Themen vermutlich auch selbst tun. In der Sache selbst halte ich den Alarmismus des Offenen Briefes aber für eine kalkulierte Manipulation.
@adrian
Das ist aus meiner Sicht recht offensichtlich. Der Text ist durchgehend in der Terminologie einer poststrukturalistischen Privilegientheorie geschrieben und da ist der WHM nun einmal das Feindbild.
Aus dem verlinkten Interview:
„Ich benutze sie für meine Forschung, denn als Linguistin bin ich sehr daran interessiert, wie Menschen Diskriminierungen sprachlich äußern – da habe ich jetzt ein hervorragendes Material, um das zu untersuchen“
Linguistin. Hornscheidt stolpert hier entweder über die Gewohnheit der Alltagssprache oder es ist auch für Hornscheidt manchmal zu kompliziert, immerfort den korrekten Ausdruck zu verwenden.
@Damien
Mord- und Gewaltandrohungen sind nicht in Ordnung (so etwas würde Djadmoros auch nie befürworten, da bin ich mir sicher). Persönliche Angriffe sind nicht in Ordnung. Shitstorms statt sachlicher Debatte sind auch nicht in Ordnung.
Darauf können wir uns sicher einigen.
Problematisch ist der offene Brief freilich, weil er eben (wie Djadmoros schon schrieb) nur auf die Extreme abhebt, damit aber zum Rundumschlag gegen Kritiker ausholt und den Eindruck erweckt, außerhalb des Shitstorms gäbe es keine sachliche Kritik. Mich erinnert die Diktion dieses Briefes an den von Lucas Schoppe analysierten Zeit-Artikel, der Feminismuskritik gleichsetzte mit der „Wut alter Männer“.
Und, wie gesagt, es fehlt dem Brief das vermittelnde Element, sprachlich. Man benutzt ein sehr szenespezifisches Vokabular, das außerhalb der Szene nicht akzeptiert ist oder erst gar nicht verstanden wird. Gleichzeitig formuliert man aber starke Forderungen nach Anerkennung und Toleranz usw. Aber dazu müsste man sein Anliegen eben auch so formulieren, dass die Zielgruppe es begreifen kann und sich irgendwie angesprochen fühlt. Das kann dieser Brief nicht leisten.
Der Brief gleicht dem Auftritt eines Soziologen, der Erstsemestern einen Vortrag im systemtheoretischen Luhmann-Sprech hält und sich anschließend ärgert, dass die Leute Soziologie doof finden.
Deshalb meine ich auch, dass dieser Brief eigentlich eher in die Szene hinein wirken soll und nicht nach außen. Für die Außenwelt hätte es wohl genügt, klarzustellen, dass a) persönliche Angriffe verwerflich sind und b) dass Menschen wie Hornscheidt freie Individuen sind und sich daher verorten dürfen, wo sie wollen.
Die vielen Aussagen zum Thema Unterdrückung usw. sind dann aber so diskursspezifisch, dass sie bei den meisten Leuten nur Kopfschütteln auslösen werden.
Ich finde den offenen Brief sehr gelungen.
Die Artikel und Kommentarspalten der letzten Monate sprechen für sich. Da schlägt einem eine ganze Menge Hass entgegen. Noch dazu kommen die „Angriffe“, die aus den Medien oft nicht direkt entnehmbar sind. Seien es jetzt persönliche Drohungen (Vergewaltigung, Mord etc.) an Lann Hornscheidt, unangemeldete Pressevertreter, die sich in Seminare schleichen oder die Hackangriffe auf Webseiten der Gender-Studies Fakultät, an der Lann Hornscheidt lehrt. Wer da nicht von Hetze sprechen möchte, hat vermutlich schlicht und ergreifend nicht genug Informationen.
Was in dieser Diskussion gerade passiert, ist sehr typisch: Es wird gehetzt – solidarisiert man sich mit der diffamierten Person, dann wird der Spieß umgedreht und man hetzt angeblich selber.
Und inhaltlich hat natürlich niemand was zum offenen Brief großartig zu sagen.
„Normalbürger blabla gruppenspezifisch blabala ideologisch blabla feministische Wissenschaft blabla Genderideologie…“
Fakt ist: Lann Hornscheidt hat lediglich einen VORSCHLAG zur Sprachgestaltung ausgearbeitet und erhält dafür MORDDROHUNGEN. Daran lässt sich klar ablesen, dass wir ein DISKRIMINIERUNGSPROBLEM haben. Über die X-Form lässt sich diskutieren (das streitet selbst Lann Hornscheidt nicht ab), was hier über viele Kanäle passiert ist, hat jedoch nicht mehr viel mit Diskussionskultur zu tun.
Es gibt mittlerweile so viele Interviews, aus denen entnehmbar ist, dass Lann Hornscheidt Menschen NICHT vorschreiben möchte, wie sie zu sprechen haben etc. Hier nur eins davon: http://www.rbb-online.de/politik/beitrag/2014/11/Lann-hornscheidt-professx-gender-studies.html
Abschließend zitiere ich gerne den Brief:
„Bei der aktuellen Diskussion geht es fraglos um mehr als um eine spezifische Sprachform: Es geht um die Anerkennung von Menschen, die jenseits, zwischen, außerhalb der normativen Cis-Zweigeschlechtlichkeit leben.“
Sehe gerade, dass der Link schon gepostet worden ist, aber das macht ja nichts. Ist jedenfalls lesenswert 😉
@Adrian
Völlig überzogen und verhetzend.
Keine gesellschaftliche Gruppierung nimmt sich derartige Rechte und Sonderforderungen heraus. Genau das habe ich ja immer bemängelt. Es ist falsch, das so zu machen.
Ich nehme das mittlerweile als gesellschaftlich vergiftenden Mißbrauch wahr, der dann zurecht Widerstand erzeugt.
Und das tut es ja auch, da einige sich dann natürlich auch über das Maß hinaus entblöden. Und das dann wieder gebrandmarkt wird.
Offenbar tatsächlich eine Strategie, aber eben eine Mißbräuchliche, die den nachhaltigen Eindruck erweckt, dass man gern genau diese Position weiter fortschreiben möchte und gerade nicht an einer friedlichen Koexistenz interessiert ist und das Misstrauen zurecht verfestigt.
Wo ist die Verantwortung von eurer Seite? Sie ist nicht erkennbar. Im Gegenteil. Und es auch anders.
Aber da rede ich ja gegen den Wind.
@ petpanther
Eine friedliche Koexistenz muss von beiden Seiten ausgehen. Wenn Du als Mann fühlender mit männlichen Pronomen angeredet werden willst, wird Dir dieser Wunsch gewährt. Eine friedliche Koexistenz bedingt, dass Du die Wünsche derer, die sich mit der Zweigeschlechtlichkeit nicht identifizieren können, ebenfalls respektierst. Ansonsten ist Deine Koexistenz nämlich eine reichlich einseitige Angelegenheit.
Korrektur: Und es *geht* auch anders.
Meiner bescheidenen Meinung nach handelt es sich bei der Art von Debatte um eine sehr typische Form der gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit Minderheiten, gerade was Deutschland angeht. Es wird sich viel mit Teilaspekten aufgehalten, das grundlegende Problem aber, die Exklusion, fällt dabei unter den Tisch. Unser aller Ziel sollte doch sein, allen Menschen ein freies, selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen, egal ob Frau, Transgender, Schwul, Einwanderer oder Linkshänder oder…. Daher hier der Verweis:
http://www.queer.de/detail.php?article_id=22852
Es ist ein (gewohnt) trauriges Zeugnis von Gewalt gegen ‚anders geartete‘ als die ‚Mehrheitsgesellschaft‘. Auch deshalb sollen Bildungspläne erneuert werden, um bisher ausgeschlossene Gruppen zu inkludieren, um langfristig die Gewalt und den Selbstmord und die Ausgrenzung zu verringern. Auch deshalb gibt es die selbstbewusst vorgetragene Forderung nach Anerkennung von Lann Hornscheidt. Denn nichts anderes ist es doch, was hier sauer aufstößt: Ein gesellschaftliches ‚Nix‘ macht auf Sprache aufmerksam, die ausschließt.
Was diese unsere Sprache angeht, so haben wir schrittweise gelernt, auch andere Menschen zuzulassen und nicht mehr auszugrenzen (bzw. sind wir zumindest schon auf dem Weg). Es gibt keine ‚Neger‘, ‚Ölaugen‘, ‚perverse Kinderschänder‘ mehr. Sprache unterliegt nunmal ständigem Wandel. Wer jetzt meint, hier würde eine Minderheit der Mehrheit ihre ‚Ideologie‘ aufzwingen wollen, hat nicht verstanden, dass 1.) ein gesellschaftlicher Wandel nicht ohne Forderung auskommt, und 2.) sich eine demokratische, freie Gesellschaft sich am Umgang mit den Schwächsten messen lassen muss.
Wie wir alle gemeinsam es dann ganz genau ausgestalten, auch Menschen zwischen den beiden traditionell anerkannten Geschlechtern mit einzubeziehen, darüber kann man streiten. Doch das ‚Buzzword-Bingo‘ in vielen Kommentaren zeigt, dass es darum gar nicht geht:
-Wirre Genderfuzzis!
-Unsere Steuergelder rausgeworfen!
-Was tut ‚die‘ für unsere Gesellschaft?
-‚Die‘ wurde doch als Frau geboren, was quakt ‚die‘ dann so rum?
-Ich lasse mir nicht vorschreiben, wie ich zu sprechen habe!
etc.etc….
Genau aus den Gründen unterstütze ich auch den Brief!
@ udopse
Ich stimme Dir vollkommen zu.
„I don’t care to belong to any club that will have me as a member.“ (Groucho Marx)
Darauf läuft es wohl hinaus …
Ich sehe das ähnlich wie Lomi. Soviel Kampfvokabel- und Szenesprech, das wirkt auf jedixe außerhalb befremdlich und abstossend (sagen wir außerhalb der Szene oder Berlins) und erfüllt damit nicht, mehr Verständnis für Transsexuellixe u.ä. zu erzeugen. Insofern scheint es mir eher ein Bärixinnendienst an der Sache zu sein. Akzeptanz braucht die Breite der Bevölkerung.
@Adrian
Wird nie aufhören, wenn du und auch alle anderen Queers nicht den Unterstellungston einstellen.
Die Zeit bei der ggf. notwendig war ist vorbei.
Daher bist du Aggressor hier. Nicht diejenigen, denen du das unterstellst.
Das einzige was ihr damit kreiert ist politische Korrektness und Angst. Und das ist eine andere Angst als das was du unter Homophobie verstehst mein lieber Mister Unschuldslamm. Es ist schon lange nicht mehr Regenbogen und schön.
Versemmeln tut ihr das mit diesem unnötig aggressiven Bullshit. Eigentlich habt ihr das schon in die Grütze gefahren.
petpanther:
„unnötig aggressiver Bullshit“
Genau darauf verweist der Link, und extrem traurig viele andere Quellen: Gesellschaftliche Ablehnung von Anderen und vermeintlichen Minderheiten.
-Eine immens hohe Zahl von Transgendern, die in der Prostitution arbeiten müssen, weil sie keine andere Wahl hatten
-Vier- bis sieben Mal höhere Selbstmordraten bei nicht-heterosexuellen Jugendlichen
-Eine unzweideutig hohe Rate von Frauen, die Opfer häuslicher Gewalt sind
– etcetc
DAS ist unnötig aggressiver Bullshit!
@Muschimieze:
»Wer da nicht von Hetze sprechen möchte, hat vermutlich schlicht und ergreifend nicht genug Informationen.«
Mag sein. Das Problem ist halt, dass diese feministische Szene in Bezug auf Männerrechtler so oft »Wolf« gerufen hat, dass ihnen kaum noch einer glauben mag, wenn dann tatsächlich Wölfe kommen.
Udopse
“ Denn nichts anderes ist es doch, was hier sauer aufstößt: Ein gesellschaftliches ‘Nix’ macht auf Sprache aufmerksam, die ausschließt.“
Ich bin nicht einverstanden. Diese Aussage stimmt nur, wenn man davon ausgeht, dass es für jede Ausprägung bzw. für jede Person mit ihren Eigenheiten auch einen speziellen Begriff geben müsse. Das kann man versuchen, aber ich halte das für ein eher tragisch scheiterndes Projekt. Es ist der Versuch, mit Allgemeinbegriffen Individuelles zu fassen. Das muss systematisch misslingen. Es wird nämlich immer etwas Besonderes übrig bleiben, das sich nicht in einem Allgemeinbegriff ausdrücken lässt.
Die Alternative dazu ist es, von vornherein mit unscharfen Begriffen zu leben, in dem Bewusstsein, dass sie eben nicht wirklich alles abbilden.
Hier bietet sich gewiss ein Mittelweg an. Ich kann verstehen, wenn mancher eine strikte Zweigeschlechtlichkeit als zu eng gefasstes Begriffsschema ansieht. Es ist dann nicht unbedingt verkehrt, neue sprachliche Formen zu finden. Aber diese Neuerungen sollten praktischer Weise nicht den Anspruch erheben, Besonderheiten genau abzubilden.
NIcht zuletzt bewegt sich Hornscheidt in einem ganz bestimmten Kontext. Hinter ihren Sprachvorschlägen steckt eben auch eine bestimmte Sichtweise auf die Welt. Diese Sichtweise teilt nicht jeder und das liegt nicht allein an strikter Ablehnung oder der Verweigerung, Vielfalt wahrzunehmen. Es liegt daran, dass die in den Gender Studies angelegte Deutung der Gesellschaft nicht jeden überzeugt. Der offene Brief funktioniert aber eigentlich nur wirklich, wenn man überzeugter Gender Studies Vertreter ist.
LoMi: “ “Die stattfindende äußerst gewaltvolle, transfeindliche und heterosexistische Medienhetze gegen Lann Hornscheidt kann nicht losgelöst von der staatlichen, institutionellen, kulturellen und alltagsweltlichen Diskriminierung von Trans*-, genderqueeren und Inter-Menschen betrachtet werden.”
HIer sollte man doch mal einen Gang zurück schalten. Es wäre schon sinnvoll, den gemeinen Normalbürger auch dort abzuholen, wo er steht, nämlich bei seinem Alltagsverständnis. Man will etwas vom Normalbürger, nämlich ein Umdenken. Das gelingt aber kaum durch eine sehr gruppenspezifische Sprache. “
Ich verstehe dein Anliegen schon, doch welchen Weg kann man gehen, damit dieses Umdenken beim Nordmalbürger gelingt? Mein persönliches Hass-Thema ist ein zu manifestes In-Group/Out-Group Denken. Wer also wie die Feministen fordert(e), die Sprache zu ändern um weibliche Formen zuzulassen, macht damit ja eine Unterscheidung deutlich, die es sprachlich vorher nicht in dem Maß gab. Das war mein ursprünglicher Kritikpunkt, das sprachliche Herausstellen von Unterschieden (Mit-Glied und Ohne-Glied). Letztendlich akzeptiere ich das aber, da nur über diesen Umweg eine Gleichstellung näherrückt (ebenso wie mit der Frauenquote).
Ich hoffe nur, dass es irgendwann auch sprachlich dazu kommen kann, dass man diese Unterscheidung wieder aufheben kann um all-inclusive alle einschließen zu können. Das gilt in gewisser Weise genauso für Trans- und Intersexuelle (bzw interpersonelle) Menschen.
Und dass der Brief nur Gender-Studies-Vertreter gelten könne: Wer der Bildgewalt und Macht von Sprache nicht traut, sehe sich nur den Unterschied zwischen homosexuell und pädophil an. Es müsste doch andersherum sein! Damit steht eben nicht die Liebe, sondern der Akt im Vordergrund, was sicher auch zur großen ‚Sexualisierung unserer Kinder!‘-Debatte beiträgt.