Die erste schriftliche Aufzeichnung einer Leihmutterschaft begegnet uns in der Bibel: Maria trägt dort das Kind Gottes aus. Gut 2000 Jahre später urteilt der Bundesgerichtshof (BGH):
Schwule eingetragene Lebenspartner können von Geburt an die rechtlichen Eltern eines von einer Leihmutter ausgetragenen Kindes sein. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem am Freitag veröffentlichten Beschluss entschieden. Danach muss Deutschland ein entsprechendes kalifornisches Gerichtsurteil anerkennen, das der Leihmutter keine Elternstellung zuspricht. (Az: XII ZB 463/13)
Bezieht man dieses Urteil auf die Geburt Jesu, hätte der BGH also entschieden, dass Josef rechtlich ein Elternteil ist, obwohl er biologisch mit Jesus nicht verwandt ist.
Gemäß deutschen Gepflogenheiten, wurde dieses kalifornische Urteil nun vom BGH anerkannt:
Da einer der Männer aber ohnehin der biologische Vater des Kindes ist
Dieses nachvollziehbare und überfällige Urteil sorgt natürlich nicht überall für eitel Sonnenschein. Das uns bereits bekannte Blog „Kritische Wissenschaft“ gibt sich besorgt ob dieser neuen homosexuellen Anmaßung und fabriziert dabei weniger Wissenschaft als einmal mehr pure Meinung:
Moral ist allerdings etwas anderes als moralisieren. Eine objektive Moral gibt es ohnehin nicht. Moral ist subjektiv und speist sich aus der eigenen Weltanschauung und ethischen Grundsätzen. Für mich sind dies Freiwilligkeit und die Abwesenheit von Abhängigkeit und Schaden. Eine Leihmuttschaft ist weder per se Zwang, noch impliziert sie eine ausgenutzte Abhängigkeit oder einen zugefügten Schaden.
“Leihmutter” und “Bestelleltern”, das sind Begriffe, an die man sich wird gewöhnen müssen.
Der Begriff „Bestelleltern“ wurde von „Kritische Wissenschaft“ allerdings selbst erfunden, wohl um Assoziationen mit Warenhauskatalogen und amazon.de zu wecken, so nach dem Motto, man könne sich ja mal eben ein Kind bestellen.
Die biologische Notwendigkeit, auf der Fortpflanzung basiert, kann allerdings zum Beispiel auch durch Unfruchtbarkeit eines der beiden Partner erschwert werden. Es ist dennoch kaum vorstellbar, dass „Kritische Wissenschaft“ auf dieser Basis heterosexuellen Paaren den Zugang zu einem Kind absprechen und postulieren würde, dieses Paar würde seine Unfruchtbarkeit nicht so ernst nehmen, als dass sie sich nicht als Eltern verwirklichen wollten.
Nein, man muss dazu nicht homophob sein. Allerdings beschleicht einen dieser Eindruck durchaus, wenn nicht erwähnt wird, dass eine Leihmutterschaft auch von heterosexuellen Paaren in Anspruch genommen wird.
Wieso der Wunsch nach einem Kind, der über eine Leihmutterschaft erfolgt, dieses Kind zu einem Spielzeug degradiert, leuchtet mir nicht ein. Denn worin unterscheidet sich dieser Vorgang eigentlich von einem klassischen heterosexuellen Paar, welches sich freiwillig entscheidet, ein Kind zu bekommen, und sich über den Weg des Sex eines zu „bestellen“? Immerhin ist in Zeiten der Geburtenkontrolle Sex weitgehend von Fortpflanzung abgekoppelt, so dass Kinder in den allermeisten Fällen nicht aus Zufall, sondern aus rein „egoistischen“ Motiven der Eltern zur Welt kommen, eben weil diese unbedingt ein Kind wollen. Worin besteht der Unterschied, außer in der Art und Weise, wie das Kind entsteht?
Darüber hinaus ist kaum anzunehmen, dass ein Paar, welches den beschwerlichen Weg der Nachkommenschaft über eine Leihmutter auf sich nimmt, sich diesen Schritt nicht mehr als gut überlegt hat. Die Vorstellung, mir nichts dir nichts eines morgens mit dem Gedanken aufzuwachen, mal eben ein Kind auf diesem Wege zu bekommen, erscheint geradezu absurd.
Und wieso fragt „Kritische Wissenschaft“ eigentlich nicht, was mit Kindern geschieht, die auf herkömmliche Weise zur Welt kommen, wenn deren Eltern das Interesse an ihnen verlieren? Immerhin gibt es genügend Beispiel dafür, dass herkömmlich gezeugte Kinder von ihren Eltern zur Adoption freigegeben werden, wo der Vater sich aus dem Staub macht, die Mutter das Kind bei einer Babyklappe abgibt, oder Kinder mit sowenig Liebe und Zuwendung aufwachsen müssen, dass das Jugendamt und der Staat einspringen müssen. Alles nicht der Rede wert, weil diese Kinder ja „normal“ beim Sex zwischen Frau und Mann gezeugt worden sind?
Doch auf welche Beweise stützt „Kritische Wissenschaft“ diese Vermutung? Und selbst Gesetz dem Fall, Leihmütter würden in der Tat aus sozial schwächeren Schichten stammen, inwieweit konstituiert dies ein ethisches Problem? Stellen wir nicht alle unsere Arbeitskraft, unser Wissen und unseren Körper auf dem Arbeitsmarkt gegen Geld zur Verfügung, um zu (über)leben? Ist es moralisch verwerflich, seinen Körper zu verkaufen, nur weil man das Geld gut gebrauchen kann? Ist die Arbeit als Putzfrau moralisch verwerflich, nur weil sie (fast?) ausschließlich von Angehörigen sozial schwacher Schichten ausgeübt wird?
Bedauerlich ist überdies, dass „Kritische Wissenschaft“ es versäumt, Daten zum eigentlichen Thema vorzustellen, sondern sich, entgegen ihres Anspruchs ein wissenschaftliches Blog zu sein, rein auf Meinungsmache beschränkt.
So fehlen zum Beispiel Angaben darüber, wie es um den legalen Status der Leihmutterschaft bestellt ist. So ist die Leihmutterschaft bspw. in einigen Staaten der USA, in Russland, in Belgien, Griechenland, dem Vereinigten Königreich, Israel, Australien, den Niederlanden, Frankreich, Indien, Georgien, Japan, Kanada und Thailand erlaubt, allerdings mit abweichenden Restriktionen, Regulierungen und Ausnahmeregelungen. So ist in einigen dieser Länder die Leihmutterschaft verboten, wenn damit Profit gemacht werden soll, und steht z. B. in Israel nur heterosexuelle Paaren offen. Eine ausführliche Auflistung der Gesetzeslage in einzelnen Ländern gibt es in der englischen Wikipedia.
Auch über die durchaus ernst zu nehmende Befürchtungen bezüglich der psychologischen Folgewirkungen von Leihmüttern kann man sich informieren. Wichtig ist hierbei vor allem die Vorbereitung auf eine solche Schwangerschaft, die psychologische Stabilität der Leihmutter und das Verhältnis zwischen Leihmutter und dem Paar, welches das Kind aufziehen wird. Auch wenn zu berücksichtigen ist, dass jeder Mensch psychologisch anders auf eine solche Situation reagiert, konnten negative Folgewirkungen bei der Mehrzahl der Frauen nicht festgestellt werden, und nur bei einer Minderheit traten Depressionen und Trauer angesichts der Tennung vom Kind auf.
Dieser durchaus traurige Umstand spricht aber lediglich dafür, die Leihmutterschaft staatlicher Regulierung zu unterwerfen, die sicherstellt, dass das psychologische Wohl aller Partizipierenden sichergestellt ist, und verhindert wird, dass eine Leihmutterschaft unter Ausnutzung von Zwang und Abhängigkeitsverhältnissen ausgeübt wird.
Denn Leihmutterschaft wäre meines Erachtens lediglich unter diesen zwei Bedingungen moralisch verwerflich. Ist weder Abhängigkeit noch Zwang gegeben – und es gibt keinerlei Hinweise für diese Diagnose im vorligenden Fall – kann ich beim Besten willen kein grundsätzliches moralisches und ethisches Problem in einer Leihmutterschaft erkennen.
Weiß man, was die beiden bezahlt haben?
Zu meiner Überraschung habe ich gelesen, dass die Leihmutterschaft in Deutschland durch das Embryonenschutzgesetz verboten ist. Vorausgesetzt, dass das stimmt, heißt es ja wohl, dass der deutsche Gesetzgeber Kinder davor schützen will, geboren zu werden, zu leben sowie ein sie liebendes und für sie sorgendes Elternpaar zu haben. Mir erscheint das pervers.
Wow! Also das ist eine zentrale Forderung, für die ich auch eintreten würde.
„Dieser durchaus traurige Umstand spricht aber lediglich dafür, die Leihmutterschaft staatlicher Regulierung zu unterwerfen, die sicherstellt, dass das psychologische Wohl aller Partizipierenden sichergestellt ist“
Beachtlich, dass ein Libertärer etwas staatlicher Kontrolle unterwerfen will – und daher umso glaubwürdiger. Wichtig wäre mir noch, dass das Kind das Anrecht hat, seine genetische Mutter zu kennen. Bei den Spenderkindern war das der zentrale Punkt. Ich sehe das implizit aber in der Formulierung „psychologisches Wohl sicherstellen“.
@ Graublau
Ich wüsste nicht, wessen Kontrolle man es sonst unterstellen sollte. Insofern bin ich bereit Abstriche bei libertären Prinzipien zu machen. Abgesehen davon, würde ich mich eher als Liberalen betrachten 😉
@Graublau
Es gibt einen Unterschied zwischen Freiheit und Freiwilligkeit gegenüber Zwang und/durch Abhängigkeit.
Und in manchen Bereichen ist es notwendig staatliche Kontrolle und Regulation einzusetzen um Freiwilligkeit zu garantieren.
So wie Adrian schon schreibt ist es nicht verwerflich den eigenen Körper oder entsprechende Dienstleistungen zu verkaufen.Verwerflich wird die Sache erst wenn Menschen keine Wahl haben oder zumindest denken sie hätten keine.
Ohne Regulation beim Organhandel gäbe es mit Sicherheit einige sozial Schwächere, die eine Niere verkauften um sich ein neues Auto zu leisten oder Schulden zu bezahlen. Möglicherweise würden Gläubiger sogar subtilen Druck ausüben. Mit Freiheit und Freiwilligkeit hat das dann aber nichts mehr zu tun.
„Die erste schriftliche Aufzeichnung einer Leihmutterschaft begegnet uns in der Bibel.“
Tststs, immer dieses Christentum-zentrierte Denken.
Lange Zeit vor Maria diente bereits Maya als Leihmutter, nämlich für Gautama Buddha, der als weißer Elefant vaterlos direkt in sie einging. Dionysos wurde ebenso von einer jungfräulichen Leihmutter geboren wie Quirinus, Indra, Zoroaster, Mithras, Platon und Perseus, der babylonische Gott Adonis und Krishna. Und das sind nur die bekanntesten.
@ fink
Ich bin kein Experte für Religionen 😉
zu Adrian: Deswegen habe ich’s ja ergänzt. 🙂
Hallo Adrian,
hast Du für Dich Kritierien gefunden, nach denen Du entscheiden kannst, welche Lebensbereiche staatlich reguliert werden müssen und welche privatrechtlich geregelt werden dürfen?
Ich bin da immer noch auf der Suche.
@ Martin
Ich auch. Obwohl ich weniger suche, als eher den Einzelfall betrachte.
Regulieren heißt hier doch im gewünschten Ergebnis: allgemein anerkennen und schützen – und das geht halt nur in Form eines Gesetzes, das wiederum nur der Staat erlassen kann.
Die erste „Leihmutterschaft“ wurde in der Bibel von Sarah an ihre Magd vergeben, weil sie „trocken“ war zwischen ihren Schenkeln…