Leihmutterschaft – kein ethisches Dilemma

21 Dez

Die erste schriftliche Aufzeichnung einer Leihmutterschaft begegnet uns in der Bibel: Maria trägt dort das Kind Gottes aus. Gut 2000 Jahre später urteilt der Bundesgerichtshof (BGH):

Schwule eingetragene Lebenspartner können von Geburt an die rechtlichen Eltern eines von einer Leihmutter ausgetragenen Kindes sein. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem am Freitag veröffentlichten Beschluss entschieden. Danach muss Deutschland ein entsprechendes kalifornisches Gerichtsurteil anerkennen, das der Leihmutter keine Elternstellung zuspricht. (Az: XII ZB 463/13)

Bezieht man dieses Urteil auf die Geburt Jesu, hätte der BGH also entschieden, dass Josef rechtlich ein Elternteil ist, obwohl er biologisch mit Jesus nicht verwandt ist.

Damit gab der BGH zwei verpartnerten Männern aus Berlin recht. Sie hatten 2010 mit einer Frau in Kalifornien einen Leihmutterschaftsvertrag geschlossen. Das Kind wurde mit dem Samen eines der Männer und einer gespendeten Eizelle gezeugt und von der Leihmutter ausgetragen.

Das Oberste Gericht in Kalifornien entschied, die Leihmutter habe keine „Elternstellung“, daher würden die Lebenspartner als Eltern gelten.

Gemäß deutschen Gepflogenheiten, wurde dieses kalifornische Urteil nun vom BGH anerkannt:

„Dies sei ausnahmsweise nur ausgeschlossen, wenn die Entscheidung mit Grundrechten oder anderen „wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist“.

Hier weiche die kalifornische Gerichtsentscheidung nur „teilweise“ von der deutschen Gesetzeslage ab. Danach wäre der biologische Vater auch hier Vater des Kindes. Wegen des deutschen Verbots der Leihmutterschaft würde allerdings die Leihmutter auch rechtlich als Mutter gelten. Der Lebenspartner könnte daher „nur durch eine Stiefkindadoption in die rechtliche Elternstellung gelangen“.

Da einer der Männer aber ohnehin der biologische Vater des Kindes ist

sei dies aber nicht so gravierend, dass es einer Anerkennung des kalifornischen Urteils entgegenstehe, befand der BGH. Es seien hier auch die Interessen des Kindes zu berücksichtigen. Dies wäre ohne Anerkennung des Urteils durch ein sogenanntes hinkendes Verwandtschaftsverhältnis belastet: Die Leihmutter wäre zwar die Mutter nach deutschem Recht. Tatsächlich habe sie aber wohl keinerlei Interesse, Elternverantwortung zu übernehmen, und sei nach dem Recht ihres Heimatlandes dazu auch nicht verpflichtet.

Dieses nachvollziehbare und überfällige Urteil sorgt natürlich nicht überall für eitel Sonnenschein. Das uns bereits bekannte Blog „Kritische Wissenschaft“ gibt sich besorgt ob dieser neuen homosexuellen Anmaßung und fabriziert dabei weniger Wissenschaft als einmal mehr pure Meinung:

Zumindest im Zusammehang mit Moral können wir der herrschenden Vielfalt, die man auch als a-Moralität bezeichnen kann, nichts abgewinnen. Schon deshalb nicht, weil die Polyperspektiven und die Diversität im Bereich der Moralität zu einer Situation führen, die Thomas Hobbes mit seinem Naturzustand beschrieben hat und die sich dadurch auszeichnet, dass Menschen instrumentalisiert werden, dass manche Menschen zum Mittel zum Zweck von anderen werden, dass sie von diesen anderen benutzt werden.

Moral ist allerdings etwas anderes als moralisieren. Eine objektive Moral gibt es ohnehin nicht. Moral ist subjektiv und speist sich aus der eigenen Weltanschauung und ethischen Grundsätzen. Für mich sind dies Freiwilligkeit und die Abwesenheit von Abhängigkeit und Schaden. Eine Leihmuttschaft ist weder per se Zwang, noch impliziert sie eine ausgenutzte Abhängigkeit oder einen zugefügten Schaden.

“Leihmutter” und “Bestelleltern”, das sind Begriffe, an die man sich wird gewöhnen müssen.

Der Begriff „Bestelleltern“ wurde von „Kritische Wissenschaft“ allerdings selbst erfunden, wohl um Assoziationen mit Warenhauskatalogen und amazon.de zu wecken, so nach dem Motto, man könne sich ja mal eben ein Kind bestellen.

Die Bestelleltern, das sind im vorliegenden Fall zwei Schwule, die ihr Schwulsein nicht so ernst nehmen, als dass sie sich nicht als Eltern verwirklichen wollten, ein Projekt, das durch die biologische Notwendigkeit, auf der Fortpflanzung nun einmal basiert, erschwert wird.

Die biologische Notwendigkeit, auf der Fortpflanzung basiert, kann allerdings zum Beispiel auch durch Unfruchtbarkeit eines der beiden Partner erschwert werden. Es ist dennoch kaum vorstellbar, dass „Kritische Wissenschaft“ auf dieser Basis heterosexuellen Paaren den Zugang zu einem Kind absprechen und postulieren würde, dieses Paar würde seine Unfruchtbarkeit nicht so ernst nehmen, als dass sie sich nicht als Eltern verwirklichen wollten.

Man muss wirklich nicht homophob sein, um sich zu fragen, ob zwei Homosexuelle, die sich fraglos eine Leihmutter kaufen, um sich eben einmal den Wunsch nach einem Spielzeug zu erfüllen, denn als Sache wird man den Gegenstand der Transaktion, das Kind, wohl auffassen müssen, dazu geeignet sind, dieses Kind zu erziehen – schon weil man sich fragt, was mit dem Kind passiert, wenn sie den Spass an ihrem neuen Spielzeug verlieren.

Nein, man muss dazu nicht homophob sein. Allerdings beschleicht einen dieser Eindruck durchaus, wenn nicht erwähnt wird, dass eine Leihmutterschaft auch von heterosexuellen Paaren in Anspruch genommen wird.

Wieso der Wunsch nach einem Kind, der über eine Leihmutterschaft erfolgt, dieses Kind zu einem Spielzeug degradiert, leuchtet mir nicht ein. Denn worin unterscheidet sich dieser Vorgang eigentlich von einem klassischen heterosexuellen Paar, welches sich freiwillig entscheidet, ein Kind zu bekommen, und sich über den Weg des Sex eines zu „bestellen“? Immerhin ist in Zeiten der Geburtenkontrolle Sex weitgehend von Fortpflanzung abgekoppelt, so dass Kinder in den allermeisten Fällen nicht aus Zufall, sondern aus rein „egoistischen“ Motiven der Eltern zur Welt kommen, eben weil diese unbedingt ein Kind wollen. Worin besteht der Unterschied, außer in der Art und Weise, wie das Kind entsteht?

Darüber hinaus ist kaum anzunehmen, dass ein Paar, welches den beschwerlichen Weg der Nachkommenschaft über eine Leihmutter auf sich nimmt, sich diesen Schritt nicht mehr als gut überlegt hat. Die Vorstellung, mir nichts dir nichts eines morgens mit dem Gedanken aufzuwachen, mal eben ein Kind auf diesem Wege zu bekommen, erscheint geradezu absurd.

Und wieso fragt „Kritische Wissenschaft“ eigentlich nicht, was mit Kindern geschieht, die auf herkömmliche Weise zur Welt kommen, wenn deren Eltern das Interesse an ihnen verlieren? Immerhin gibt es genügend Beispiel dafür, dass herkömmlich gezeugte Kinder von ihren Eltern zur Adoption freigegeben werden, wo der Vater sich aus dem Staub macht, die Mutter das Kind bei einer Babyklappe abgibt, oder Kinder mit sowenig Liebe und Zuwendung aufwachsen müssen, dass das Jugendamt und der Staat einspringen müssen. Alles nicht der Rede wert, weil diese Kinder ja „normal“ beim Sex zwischen Frau und Mann gezeugt worden sind?

Man muss auch kein Hellseher sein, um zu wissen, aus welcher sozialen Schicht Leihmütter in den USA, in Kalifornien im vorliegenden Fall, stammen (was unseren engagierten Linken offensichtlich egal ist), die sich auf einen Handel einlassen, der eine neue Form der Prostitution konstituiert und die entsprechenden Leihfrauen zum Instrument der Wünsche Dritter objektiviert.

Doch auf welche Beweise stützt „Kritische Wissenschaft“ diese Vermutung? Und selbst Gesetz dem Fall, Leihmütter würden in der Tat aus sozial schwächeren Schichten stammen, inwieweit konstituiert dies ein ethisches Problem? Stellen wir nicht alle unsere Arbeitskraft, unser Wissen und unseren Körper auf dem Arbeitsmarkt gegen Geld zur Verfügung, um zu (über)leben? Ist es moralisch verwerflich, seinen Körper zu verkaufen, nur weil man das Geld gut gebrauchen kann? Ist die Arbeit als Putzfrau moralisch verwerflich, nur weil sie (fast?) ausschließlich von Angehörigen sozial schwacher Schichten ausgeübt wird?

Bedauerlich ist überdies, dass „Kritische Wissenschaft“ es versäumt, Daten zum eigentlichen Thema vorzustellen, sondern sich, entgegen ihres Anspruchs ein wissenschaftliches Blog zu sein, rein auf Meinungsmache beschränkt.

So fehlen zum Beispiel Angaben darüber, wie es um den legalen Status der Leihmutterschaft bestellt ist. So ist die Leihmutterschaft bspw. in einigen Staaten der USA, in Russland, in Belgien, Griechenland, dem Vereinigten Königreich, Israel, Australien, den Niederlanden, Frankreich, Indien, Georgien, Japan, Kanada und Thailand erlaubt, allerdings mit abweichenden Restriktionen, Regulierungen und Ausnahmeregelungen. So ist in einigen dieser Länder die Leihmutterschaft verboten, wenn damit Profit gemacht werden soll, und steht z. B. in Israel nur heterosexuelle Paaren offen. Eine ausführliche Auflistung der Gesetzeslage in einzelnen Ländern gibt es in der englischen Wikipedia.

Auch über die durchaus ernst zu nehmende Befürchtungen bezüglich der psychologischen Folgewirkungen von Leihmüttern kann man sich informieren. Wichtig ist hierbei vor allem die Vorbereitung auf eine solche Schwangerschaft, die psychologische Stabilität der Leihmutter und das Verhältnis zwischen Leihmutter und dem Paar, welches das Kind aufziehen wird. Auch wenn zu berücksichtigen ist, dass jeder Mensch psychologisch anders auf eine solche Situation reagiert, konnten negative Folgewirkungen bei der Mehrzahl der Frauen nicht festgestellt werden, und nur bei einer Minderheit traten Depressionen und Trauer angesichts der Tennung vom Kind auf.

Dieser durchaus traurige Umstand spricht aber lediglich dafür, die Leihmutterschaft staatlicher Regulierung zu unterwerfen, die sicherstellt, dass das psychologische Wohl aller Partizipierenden sichergestellt ist, und verhindert wird, dass eine Leihmutterschaft unter Ausnutzung von Zwang und Abhängigkeitsverhältnissen ausgeübt wird.

Denn Leihmutterschaft wäre meines Erachtens lediglich unter diesen zwei Bedingungen moralisch verwerflich. Ist weder Abhängigkeit noch Zwang gegeben – und es gibt keinerlei Hinweise für diese Diagnose im vorligenden Fall – kann ich beim Besten willen kein grundsätzliches moralisches und ethisches Problem in einer Leihmutterschaft erkennen.

12 Antworten zu “Leihmutterschaft – kein ethisches Dilemma”

  1. Marc 21. Dezember 2014 um 10:17 #

    Weiß man, was die beiden bezahlt haben?

  2. Ralf 21. Dezember 2014 um 10:46 #

    Zu meiner Überraschung habe ich gelesen, dass die Leihmutterschaft in Deutschland durch das Embryonenschutzgesetz verboten ist. Vorausgesetzt, dass das stimmt, heißt es ja wohl, dass der deutsche Gesetzgeber Kinder davor schützen will, geboren zu werden, zu leben sowie ein sie liebendes und für sie sorgendes Elternpaar zu haben. Mir erscheint das pervers.

  3. Graublau 21. Dezember 2014 um 12:14 #

    Wow! Also das ist eine zentrale Forderung, für die ich auch eintreten würde.

    „Dieser durchaus traurige Umstand spricht aber lediglich dafür, die Leihmutterschaft staatlicher Regulierung zu unterwerfen, die sicherstellt, dass das psychologische Wohl aller Partizipierenden sichergestellt ist“

    Beachtlich, dass ein Libertärer etwas staatlicher Kontrolle unterwerfen will – und daher umso glaubwürdiger. Wichtig wäre mir noch, dass das Kind das Anrecht hat, seine genetische Mutter zu kennen. Bei den Spenderkindern war das der zentrale Punkt. Ich sehe das implizit aber in der Formulierung „psychologisches Wohl sicherstellen“.

    • Adrian 21. Dezember 2014 um 12:25 #

      @ Graublau
      Ich wüsste nicht, wessen Kontrolle man es sonst unterstellen sollte. Insofern bin ich bereit Abstriche bei libertären Prinzipien zu machen. Abgesehen davon, würde ich mich eher als Liberalen betrachten 😉

  4. HansG 21. Dezember 2014 um 12:58 #

    @Graublau

    Es gibt einen Unterschied zwischen Freiheit und Freiwilligkeit gegenüber Zwang und/durch Abhängigkeit.

    Und in manchen Bereichen ist es notwendig staatliche Kontrolle und Regulation einzusetzen um Freiwilligkeit zu garantieren.

    So wie Adrian schon schreibt ist es nicht verwerflich den eigenen Körper oder entsprechende Dienstleistungen zu verkaufen.Verwerflich wird die Sache erst wenn Menschen keine Wahl haben oder zumindest denken sie hätten keine.

    Ohne Regulation beim Organhandel gäbe es mit Sicherheit einige sozial Schwächere, die eine Niere verkauften um sich ein neues Auto zu leisten oder Schulden zu bezahlen. Möglicherweise würden Gläubiger sogar subtilen Druck ausüben. Mit Freiheit und Freiwilligkeit hat das dann aber nichts mehr zu tun.

  5. fink 22. Dezember 2014 um 02:00 #

    „Die erste schriftliche Aufzeichnung einer Leihmutterschaft begegnet uns in der Bibel.“

    Tststs, immer dieses Christentum-zentrierte Denken.

    Lange Zeit vor Maria diente bereits Maya als Leihmutter, nämlich für Gautama Buddha, der als weißer Elefant vaterlos direkt in sie einging. Dionysos wurde ebenso von einer jungfräulichen Leihmutter geboren wie Quirinus, Indra, Zoroaster, Mithras, Platon und Perseus, der babylonische Gott Adonis und Krishna. Und das sind nur die bekanntesten.

    • Adrian 22. Dezember 2014 um 02:13 #

      @ fink
      Ich bin kein Experte für Religionen 😉

  6. fink 22. Dezember 2014 um 14:52 #

    zu Adrian: Deswegen habe ich’s ja ergänzt. 🙂

  7. Martin 23. Dezember 2014 um 07:37 #

    Hallo Adrian,

    hast Du für Dich Kritierien gefunden, nach denen Du entscheiden kannst, welche Lebensbereiche staatlich reguliert werden müssen und welche privatrechtlich geregelt werden dürfen?

    Ich bin da immer noch auf der Suche.

    • Adrian 23. Dezember 2014 um 12:00 #

      @ Martin
      Ich auch. Obwohl ich weniger suche, als eher den Einzelfall betrachte.

  8. Ralf 23. Dezember 2014 um 16:41 #

    Regulieren heißt hier doch im gewünschten Ergebnis: allgemein anerkennen und schützen – und das geht halt nur in Form eines Gesetzes, das wiederum nur der Staat erlassen kann.

  9. arcados 25. Dezember 2014 um 21:49 #

    Die erste „Leihmutterschaft“ wurde in der Bibel von Sarah an ihre Magd vergeben, weil sie „trocken“ war zwischen ihren Schenkeln…

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