Gay Pay Gap

8 Mär

Die Universität Melbourne in Australien hat kürzlich eine interessante Studie zu Einkommensunterschieden veröffentlicht:

Schwule Männer verdienen durchschnittlich ganze 18% weniger als ihre heterosexuellen Kollegen. […] Bei Lesben zeigt sich eine umgekehrte Situation: diese verdienen im Durchschnitt 13 % mehr als ihre heterosexuellen Kolleginnen.

Eine Erklärung für diesen Umstand hat man auch sogleich parat:

Die Autorin der Studie, die Wirtschaftswissenschaftlerin Andrea La Nauze zu den Ursachen: die einzige überzeugende Antwort auf die Frage nach dem großen Verdienstunterschiede seien die Vorurteile, mit denen man am Arbeitsplatz schwulen Männern nach wie vor begegne.

Auf die Schnelle fallen mir zwei alternative Erklärungsansätze für die Gehaltsunterschiede zwischen Homos und Heteros ein:

1.) Schwule Männer präferieren, ebenso wie heterosexuelle Frauen, eher „weibliche“ Jobs, vielfach  in sozialen Bereichen; sind weniger ehrgeizig als  heterosexuelle Männer, weniger karriereorientiert und haben damit ein statistisch geringeres Durchschnittseinkommen. Dieselbe Erklärung gilt analog für Lesben.

2.) Auf schwulen Männer lastet weder der soziale Druck seinen „Mann“ als Ernährer von Familie (und Frau) zu stehen, noch das Geschlechtsrollenbild, nach dem  man als Mann etwas leisten muss, um gesellschaftlich anerkannt zu sein. Umgekehrt haben lesbische Frauen nicht die realistische Möglichkeit, in einer Beziehung die Erwerbstätigkeit hauptsächlich an den Mann zu deligieren. Zusätzlich ist die Wahrscheinlichkeit für lesbische Frauen, aufgrund von Mutterschaft beruflich kürzer zu treten, und damit finanzielle Abstriche hinzunehmen, geringer.

Ich persönlich halten eine Mischung beider Thesen für weitaus überzeugender als die selektive Erklärung, die rein auf Vorurteile als Ansatz abzielt; eine Erklärung welche überdies die Frage offenlässt, wie sich dann der Verdienstvorsprung lesbischer Frauen erklärt. Haben diese etwa mit weniger Vorurteilen zu kämpfen als Schwule? Sind heterosexuelle Frauen im Arbeitsleben mehr Vorurteilen ausgesetzt als Lesben? Sind Lesben privilegierter als heterosexuelle Frauen?

Eine tiefer gehende Analyse des „Gay Pay Gap“ würde sicher interessante Schlussfolgerungen zutage treten lassen, und vermutlich mit der Mär aufräumen, dass Gehaltsunterschiede eine Folge von Benachteiligungen einerseits und Privilegien andererseits seien.

15 Antworten zu “Gay Pay Gap”

  1. Ralf 8. März 2015 um 10:56 #

    Dazu kann ich mich äußern, weil ich selbst jahrelang schlechter bezahlt wurde, und zwar auschließlich wegen meiner sexuellen Orientierung, wie mein Dienstherr und mehrere Gerichte ausdrücklich zugaben bzw. feststellten. Eine Diskriminierung mochten weder der Dienstherr noch die Gerichte darin erblicken, denn -so die Rechtsprechung- für Schwule in Deutschland gelten weder Art. 3 GG noch die Europäische Antidiskriminierungsrichtlinie noch das AGG noch die Europäische Menschenrechtskonvention. Die Wortwahl der Urteilsbegründungen näherte sich in ihren Ausführungen zum sozialen Unwert schwuler Menschen und ihrer Partnerschaften deutlich den entsprechenden Auffassungen der katholischen und der NS-Ideologie an. Ich glaube daher nicht, dass die Schuld bei denjenigen gesucht werden sollte, denen gleiche Rechte verweigert werden. In meinem Fall hat nur ein politischer Umschwung (Regierungsbeteiligung der Grünen nach Rausschmiss der FDP aus dem Landtag) dafür gesorgt, dass sich die „Gay Pay Gap“ (sogar rückwirkend) schloss. Wenn es -wie bei mir- darum geht, dass man für die selbe Arbeit schlechter bezahlt wird als Hetero-Kollegen in gleicher Position, kann nicht auf an sich schon geringer bezahlte Arbeiten als Erklärungsansatz ausgewichen werden. Das ginge auch dann nicht, wenn Schwule bei Beförderungen wegen ihres Schwulseins übergangen würden, obwohl sie nicht weniger ehrgeizig wären. Im Übrigen kennen viele Schwule einen anderen Druck als den des Ernährers einer Familie: den, für gleiches Maß an Anerkennung immer mehr leisten zu müssen, um in den Augen von Chef und Kollegen das „Manko“ Homosexualität auszugleichen. Was Lesben angeht, korrespondiert das Ergebnis hier mit Ergebnissen einer Umfrage der Landesregierung RLP, die auch belegen, dass Lesben offenbar weit weniger im Nachteil sind als Schwule (und als andere Frauen).

    Es ist aber erfreulich, dass jemand dieses Thema anspricht, das in der Öffentlichkeit keinen Widerhall findet.

    • Adrian 8. März 2015 um 12:53 #

      @ Ralf
      Gibt es zu Deinem Fall Pressemitteilungen und Gerichtsprotokolle?
      Hast Du einen Link zur Umfrage der Landesregierung Rheinland-Pfalz?

  2. allsurfer4 8. März 2015 um 14:39 #

    Das bestärkt mich doch wieder in meiner Überzeugung, dass fremde Leute außerhalb meines privaten Umfelds meine sexuelle orientierung einen Sch…. anzugehen hat.

  3. Ralf 8. März 2015 um 16:03 #

    @ Adrian

    Das Az. des OVG RLP lautet: 2 A 11403/08.OVG. Das Bundesverwaltungsgericht verweigerte die Annahme der Revision, das Bundesverfassungsgericht die Annahme der Verfassungsbeschwerde. Das war noch bevor die zuständigen Richter di Fabio und Landau aus der 1. Kammer des 2. Senats ausschieden und sich infolgedessen die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts änderte. (Es kommt bekanntlich bei der Rechtsanwendung nicht auf die einschlägigen Rechtsnormen an, sondern auf die Person der entscheidungsbefugten Richter.) Die anschließende Sinnesänderung des höchsten Gerichts kam für mich aber zu spät. Wie schon gesagt, war die Einführung gleicher Bezahlung einschl. Rückwirkung für die Vergangenheit dann keine Entscheidung der Rechtsprechung mehr, sondern des Landtages.

    Was mich an Deinem Beitrag erschreckt, ist sein Rückgriff auf eines der ältesten antischwulen Klischees. Ich meine das vom femininen, schwächlich-weichlichen Schwulen, dem es nur darauf ankommt, sich einigermaßen bequem in einer Nische einzurichten und sich ohne Ehrgeiz und Widerstand der Willkür anderer anheimgibt.

    Den Link zur Umfrage findest Du auf der Seite des Ministeriums für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen Rheinland-Pfalz unter „Rheinland-Pfalz unterm Regenbogen“.

    • Adrian 8. März 2015 um 16:09 #

      @ Ralf
      Danke für die Info.

      „Was mich an Deinem Beitrag erschreckt, ist sein Rückgriff auf eines der ältesten antischwulen Klischees. Ich meine das vom femininen, schwächlich-weichlichen Schwulen, dem es nur darauf ankommt, sich einigermaßen bequem in einer Nische einzurichten und sich ohne Ehrgeiz und Widerstand der Willkür anderer anheimgibt.“

      Das kann man natürlich so interpretieren. Muss man aber nicht. Außerdem sind Klischees ja nicht in jedem Fall falsch.

  4. Ralf 8. März 2015 um 16:10 #

    @ Adrian
    hier der Link

    Klicke, um auf Langfassung.pdf zuzugreifen

  5. Adrian 8. März 2015 um 16:22 #

    @ Ralf
    http://www3.mjv.rlp.de/rechtspr/DisplayUrteil_neu.asp?rowguid=4CA62AE7-7C88-4A19-BA07-67EFF8051623

    Bei dem Urteil ging es also ums Beamtenrecht, im Hinblick auf Familienzuschlag und Versorgung für Beamte in einer Lebenspartnerschaft. Meinst Du das ist der Grund für 18 Prozent weniger Gehalt bei Homos gegenüber Heteros (in Australien)? Träfe diese Lücke Lesben nicht gleichermaßen?

    • Ralf 8. März 2015 um 18:51 #

      Ich wollte schlicht meinen eigenen Fall als Beispiel bringen, das gegen die These spricht, Schwule seien mehr oder weniger selbst schuld an ihrer durchschnittlich schlechteren Entlohnung. Es kann doch auch nicht darum gehen, dass z.B. ein Universitätsprofessor besser bezahlt wird als ein Krankenpfleger und Schwule seltener Professoren sind und öfter Krankenpfleger. Einkommensvergleiche sind m.E. nur sachgemäß bei gleicher Tätigkeit.

      • Adrian 8. März 2015 um 18:58 #

        @ Ralf
        „Ich wollte schlicht meinen eigenen Fall als Beispiel bringen, das gegen die These spricht, Schwule seien mehr oder weniger selbst schuld an ihrer durchschnittlich schlechteren Entlohnung.“

        Wer redet denn von Schuld? Ich habe mit anderen Lebensstilen und Jobpräferenzen argumentiert. Das macht m. E. ebensoviel Sinn, wie beim Pay Gap zwischen Frauen und Männern.

        • Ralf 8. März 2015 um 19:45 #

          Auch dort hat es keinen Sinn. Wie gesagt: Ich kann, wenn es um ungleiche Bezahlung geht, nur gleiche Tätigkeiten betrachten. Dass unterschiedliche Arbeit auch unterschiedlich entlohnt wird, ist nicht zu beanstanden und hat mit Ungleichbehandlung wegen des Geschlechts oder der sexuellen Orientierung nichts zu tun. Dass beklagenswert wenige Frauen in Aufsichtsräten sitzen oder bei der Müllabfuhr arbeiten, ist was ganz anderes. Auch die Berufswahl von vielen Schwulen mag dazu führen, dass sie weniger verdienen, aber das müssen sie dann auch akzeptieren. Die viel zu schlechte Entlohnung von z.B. Pflegekräften ist bekannt und muss höher werden. Aber das ist keine Frage der Ungleichbehandlung. Ich selbst verdiene natürlich weniger als ein Juraprofessor. Aber deswegen kann ich doch nicht von Ungleichbehandlung sprechen. Die ist nur gegeben, wenn ein schwuler Professor schlechter bezahlt wird als ein heterosexueller oder eben der berühmte schwule Krankenpfleger schlechter als ein heterosexueller Kollege.

          • Adrian 8. März 2015 um 19:46 #

            @ Ralf
            „Aber deswegen kann ich doch nicht von Ungleichbehandlung sprechen. Die ist nur gegeben, wenn ein schwuler Professor schlechter bezahlt wird als ein heterosexueller oder eben der berühmte schwule Krankenpfleger schlechter als ein heterosexueller Kollege.“

            Und kannst Du so ein Beispiel bringen?

            • Ralf 8. März 2015 um 21:03 #

              Nein. Mir ist aus meiner Umgebung keines geläufig. Ich habe nur den Rahmen benannt, innerhalb dessen Ungleichbehandlung sich abspielen kann, so wie es das Bundesverfassungsgericht seit wenigen Jahren auch sieht: Gleiches ist gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln, wobei die sexuelle Orientierung kein sachgerechtes Kriterium ist, Ungleichheit zu begründen.

  6. Akzeptanz 8. März 2015 um 18:36 #

    Letztendlich sind Lesben noch akzeptierter als Schwule.
    Heterosexuelle Chefs, die nunmal mehrheitlich Männer sind, haben vielleicht weniger Probleme mit einer gutbezahlten lesbischen Kraft, als die Stelle dem Schwulen zu geben.
    Das war bei uns in der Schule schon so, die Lesben haben sich eher geoutet als die Schwulen.

  7. Blub 9. März 2015 um 09:34 #

    Bevor hier irgendwelche Schlüsse gezogen werden, wurde denn überhaupt zuverlässig ermittelt, wer schwul oder lesbisch ist? Liegen hier vielleicht Artefakte vor, in welchen Jobs das offener behandelt wird und Aktivisten eher landen? Sind vielleicht wegen Berufserfahrung und Karriere besser verdienende Ältere da weniger offen?

  8. Nachtschattengewächs 9. März 2015 um 13:15 #

    Hier

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