Tag Archives: Golo Mann

Heimatlos

30 Mai

Heimat war mir lange einfach nur suspekt. In den linken Zusammenhängen, in denen ich unterwegs war, galt sie als spießig und reaktionär. Ich mußte 30 werden, um eine Sehnsucht nach Heimat zu spüren, die mich zurück in die Stadt führte, in der ich aufgewachsen war.

In einer Predigt hörte ich Jahre später einmal, wir Christen seien „unterwegs, mit Heimweh im Gepäck“. Das gefiel mir.

Und heute? Weiß ich immer weniger, welche politischen Schubladen zu mir passen. Die Leute fragen ja manchmal. Ein Linker bin ich nicht mehr, ein Rechter nicht. Liberal bin ich. Irgendwie auch konservativ. Doch was bilden Begriffe ab, von dem was ist, was schließen sie aus, von dem, was aber auch ist? Ist Liberalismus eine politische Verortung? Eine Lebenshaltung? Weiterlesen

Adorno talks dirty

12 Mai

Es war im Frühjahr 2004, da erklärte Tjark Kunstreich in der antideutschen Zeitschrift Bahamas:

Entgegem landläufigem Vorurteil war Foucault autoritär, Adorno hingegen keineswegs homophob.

Ersteres zu beweisen, ist ebenso notwendig wie im Text gelungen. Zweiteres jedoch misslang. Kunstreichs Hinweis, Adorno selbst kennzeichne,

daß seine Nachempfindung Grenzen hat, die ihm ein Urteil unmöglich machen

habe ich implizit bereits hier hinterfragt. In der kürzlich erschienenen Golo-Mann-Biographie findet sich nun ein weiterer Hinweis darauf, dass Adorno durchaus homophob war.

Adorno und Horkheimer hätten

so Golo Mann,

zweimal durch Interventionen beim Hessischen Kultusminister verhindert, dass an ihn ein Ruf an die Universität Frankfurt erging. Einmal mit unklaren persönlichen Verleumdungen, ein anderes Mal mit dem Vorwurf, Mann sei „heimlicher Antisemit“. (Tilmann Lahme: Golo Mann. Biographie. S. 288)

Unklare persönliche Verleumdungen? Weiterlesen

Was ist konservativ?

11 Mai

Niemals gegen den Zweifel leben! Sondern immer und in jeder Lage mit dem Zweifel!

Mit diesen Worten zitiert Joachim Fest seinen Deutschlehrer des Jahres 1943. Und weiter:

Erst mit dem Zweifel, der aus Antworten zu immer neuen Fragen komme, werde „die Welt erträglich“ und ein Zusammenleben unter Menschen möglich.

Eine Skizze jenes Deutschlehrers eröffnet „statt eines Mottos“ immerhin Fests „Begegnungen“, in denen er neben Sebastian Haffner auch u. a. Ulrike Meinhof und Golo Mann portraitiert. Gegen Haffners Changieren zwischen links und rechts (wenn ich das mal so verkürzt formulieren darf), wirkt Golo Manns Lebensweg auf mich regelrecht gradlinig. Und zunehmend konservativ, wenn ich die Linie in der am Wochenende ausgelesenen Mann-Biografie richtig deute. Fest darf man dieses Attribut wohl schon früher zugestehen. Ich mache dies nicht ohne Sympathie. Das Lehrer-Zitat bringt mich vor diesem Hintergrund zu der Frage „Was ist konservativ?“. Auch das Zweifeln? Und: Wann bin ich konservativ? Reicht es aus, wenn einem zunehmend konservative Denker und Gedanken sympathisch werden, auch nur interessant erscheinen?

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