Tag Archives: Mit Adrian beim Philosophieren

Krass und reaktionär?

10 Mär

In der „Welt“ habe ich gerade den Artikel einer lesbischen Frau gelesen, die über die Schwierigkeiten und Zumutungen in unserer heteronormativen Gesellschaft berichtet. An dem Artikel habe ich grundsätzlich nichts zu kritisieren, möchte aber eine Frage der Autorin herausgreifen, weil diese mir merkwürdig vorkommt.

Zunächst einmal der Zusammenhang:

„Es gibt Dinge, die kannst du nicht überwinden. Kerle wollen was anderes als Frauen.“ Ich höre zu, sie fährt fort: „Solche Probleme habt ihr natürlich nicht. Ich wünschte manchmal, ich wär auch lesbisch.“ Und fügt erbarmungslos hinzu, dass es ja viele Turbofeministinnen gebe, die sich ganz bewusst für eine Frau entschieden, weil sie Männer als Beschränkung ihrer Selbstverwirklichung ablehnten.

Ich kratze mir den Kopf, sage: „Ach, echt?“, und füge, statt zu widersprechen, irgendeinen pseudoprovokanten Scherz zum Thema „Frauenfeindlichkeit unter Lesben“ hinzu. Erst zehn Stunden zu spät und mitten in der Nacht komme ich auf einen wichtigen Gedanken: Ist es nicht die krasseste unter den reaktionären Ansichten über Homosexualität, man könne sich aus marktwirtschaftlichen Motiven für oder gegen sie entscheiden? So wie man sich für eine Partei entscheidet oder eine Wohnzimmereinrichtung? Homosexualität ist in den Augen dieser jungen, aufgeklärten und links orientierten Frau offenbar bloß ein fauler Ausweg aus der Gendermisere.

Die Frage lautet also:

„Ist es nicht die krasseste unter den reaktionären Ansichten über Homosexualität, man könne sich aus marktwirtschaftlichen Motiven für oder gegen sie entscheiden? So wie man sich für eine Partei entscheidet oder eine Wohnzimmereinrichtung?“

Ich möchte diese Frage gerne mit einem überzeugten „nein“ beantworten, weil ich diese Ansicht weder für sonderlich krass noch reaktionär halte. Warum? Weiterlesen

Hinfort mit Artikel 6!

20 Feb
Ich bin kein Freund des deutschen Grundgesetzes. Ich halte es als Verfassung für eher schlecht und eines liberalen Rechtsstaates für unwürdig. Einer der Gründe für diese Auffassung ist dabei der Artikel 6 des Grundgesetzes, und zwar vor allem der dazugehörige Absatz 1, in dem es heißt:

Die Frage die sich mir jedes Mal stellt, wenn ich diesen Satz lese, ist ein simples: „Warum?“ Weiterlesen

Identität, Diskriminierung, Verwirrung

28 Jan

Als schwuler Mann habe ich das gleiche Recht wie ein heterosexueller Mann: Das Recht, eine Frau zu heiraten.

Als Mann habe ich nicht die gleichen Rechte wie eine Frau: Sie darf einen Mann heiraten, ich nicht.

Gleichberechtigung

31 Dez

Die meisten Menschen werden sich darauf verständigen können, dass alle Menschen gleichwertig und gleichberechtigt sind.

Die Herausforderung besteht darin, dass nicht alle Menschen der selben Ansicht sind, was es bedeutet, gleichwertig und gleichberechtigt zu sein.

Leihmutterschaft – kein ethisches Dilemma

21 Dez

Die erste schriftliche Aufzeichnung einer Leihmutterschaft begegnet uns in der Bibel: Maria trägt dort das Kind Gottes aus. Gut 2000 Jahre später urteilt der Bundesgerichtshof (BGH):

Schwule eingetragene Lebenspartner können von Geburt an die rechtlichen Eltern eines von einer Leihmutter ausgetragenen Kindes sein. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem am Freitag veröffentlichten Beschluss entschieden. Danach muss Deutschland ein entsprechendes kalifornisches Gerichtsurteil anerkennen, das der Leihmutter keine Elternstellung zuspricht. (Az: XII ZB 463/13)

Bezieht man dieses Urteil auf die Geburt Jesu, hätte der BGH also entschieden, dass Josef rechtlich ein Elternteil ist, obwohl er biologisch mit Jesus nicht verwandt ist. Weiterlesen

Wozu Geschlechter?

18 Dez

Auf dem Blog „Nichtmädchen“ habe ich einen Gedankengang gefunden, die mir ebenfalls bereits öfter durch den Kopf gegangen ist:

Mal angenommen, wir würden aus unserem Rechtssystem und dem öffentlichen Leben die Geschlechterkategorien Mann/Frau einfach tilgen. Dann müsste bei der Geburt kein Geschlecht mehr eingetragen werden (ich hab ja eh nie verstanden, warum man das müssen soll). Dann gäbe es kein Eherecht, sondern ein Beziehungsrecht (und es gäbe auch keine Homo-Ehe, sondern nur Menschen, die sich zueinander bekennen). Dann wären finanzielle Zuschüsse zu Reproduktionsmaßnahmen nicht mehr an Heterosexualität gebunden. Dann gäbe es keine Damen- und Herrentoiletten mehr, sondern eine Architektur, die jedem Individuum genug Intimität zugestehen würde.

Eine solche Welt kann ich mir gut vorstellen. Weiterlesen

Unnormal ist auch normal

21 Okt

Die abfälligen Äußerungen über Homosexualität des Bildungsexperten der hessischen CDU-Fraktion, Hans-Jürgen Irmer, haben heftige Proteste beim grünen Koalitionspartner und der Opposition ausgelöst. Irmer hatte in der „Frankfurter Neuen Presse“ am Montag gesagt: „Homosexualität ist nicht normal. Wäre sie es, hätte der Herrgott das mit der Fortpflanzung anders geregelt.“

Irmer hat recht. Weiterlesen

Kassandra

15 Okt

Trotz aller wohlklingenden Reden vom Recht auf individuelle Freiheit, sollte sich der Schwule einem immer bewusst sein: Ohne das Einverständnis der heterosexuellen Mehrheit, gibt es für ihn keine Freiheit.

Abtreibung als Selbstbestimmung?

28 Sept

Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich mit konservativen Christen nichts und mit Religion nur wenig anfangen kann. Insofern zeige ich keinerlei Symapthie mit den Anliegen, die auf dem „Marsch für das Leben“ artikuliert werden, der am vorherigen Wochenende in Berlin stattfand.

Die Veranstalter der Gegenkundgebung zogen für ihre Sache jedenfalls eine positive Bilanz:

Das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung zog ein positives Resümee der Kundgebung. “Religiöse Vorstellungen einzelner Gruppen dürfen in einer freiheitlichen Gesellschaft niemals wieder zum moralischen oder gar gesetzlichen Maßstab für das Leben aller Menschen werden” sagte Sybill Schulz vom Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung gleich im Anschluss an die Kundgebung. Sie betonte, dass Mädchen und Frauen, ob homosexuell oder heterosexuell, heute prinzipiell ihre individuelle Sexualität und Familienplanung frei und selbstbestimmt leben können. Dies ist eine über mehr als 200 Jahre erkämpfte Errungenschaft. Und deshalb – so Schulz “dürfen wir das Recht auf freie Entscheidung nicht dem Zeitgeist opfern, der unter dem Eindruck des demographischen Wandels, aufgeheizter Debatten um Migration und einer allgemeinen sozialen Krise steht.”

Prinzipiell würde ich dieses Statement unterschreiben, zumal angesichts von Kreuz schwenkenden Christen, die einen Gott verehren, der der Meinung ist, meine sexuelle Vorliebe für Männer machen mich zu einem Untermenschen. Weiterlesen

Gott liebt Homos (oder auch nicht)

3 Jul

Matthew Vines hat es sich zur Aufgabe gemacht, Homosexualität und Christentum miteinander in Einklang zu bringen. Aus christlicher bzw. religiöser Sicht habe ich diesen Ansatz bereits in der Vergangengheit als „fruchtbarer“ bezeichnet als meinen eher „atheistischen Ansatz“, der die Bibel im Hinblick auf moralische Fragen als irrelevant abtut,

weil Moral unabhängig von der Bibel existiert. Ob eine Handlung moralisch ist, sollte man nicht an einem Schriftstück festmachen, sondern an der konkreten Situation der in einer Handlung involvierten Menschen.

Auch heute noch halte ich Vines Ansatz für besser, zumindest im Hinblick auf religiöse Kreise

ganz einfach, weil der atheistische Ansatz den Menschen, die er [Vines] ansprechen will, zu abstrakt ist, weil für sie Moral ohne Bibel – oder wie sie sagen würden: ohne Gott – gar nicht vorstellbar ist.

Was hätte ich im Gegenzug religiösen Menschen anzubieten? Weiterlesen

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