Die Freiheit zu glauben

21 Mai

Homosexualität ist Sünde. Wer glaubt, gehorcht. Gott ist der Höllenmeister und Oberfolterer.

All das entnehme ich den Kommentaren zu Adrians letztem Beitrag. Als Gegenteil eines solchen Glaubens wird bedingungslose Liebe genannt. Doch was, wenn genau das der Kern des christlichen Glaubens ist? Rob Bell ist dieser Meinung und über sein Buch habe ich im letzten Sommer hier geschrieben. Von daher kann ich Atacama nur zustimmen, wenn sie fragt

Es gibt so viele Religionen, wieso soll ausgerechnet eine spezielle “die richtige” sein

– denn mir gefällt das Bild von dem Berg, zu dessen Gipfel viele Wege führen –  einer davon nennt sich christlich.

Die Antwort auf den zweiten Teil ihrer Frage,

wieso hat Gott überhaupt zugelassen, dass Menschen an so einen !Quatsch” wie Odin, Walhalla, Zeus, Naturgötter und sonstiges glauben wenn es doch falsch ist?

finde ich einfach. Weil sie uns die Freiheit der Entscheidung lässt, eben kein „Diktator“ ist, der uns die Gemeinschaft mit ihm aufzwingt, sondern uns dazu einlädt. Und nicht bestraft, wenn wir uns gegen ihn entscheiden, sondern vielleicht traurig ist darüber, vielleicht mit anderen spielen geht. Noch merkwürdiger als Atacamas Einwände finde ich diesen Kommentar:

und von allen gründen ein guter mensch zu sein halte ich religion nach wie vor für den bescheuertsten. sowas hat immer mit angst und strafe zu tun, so wie manche ihre kinder erziehen.

Woher weiß man das? Ich kenne zahlreiche Menschen, die versuchen, „gut“ zu leben, d.h. voller Respekt vor der Freiheit anderer Menschen, ihr Leben selbst zu bestimmen, und die das als Christ*inn*en tun. Angst und Strafe spielen für sie dabei keine Rolle, weil sie gar nicht an einen strafenden Gott glauben – und deshalb auch keine Angst vor ihm haben brauchen.

die menschen sind entweder arschlöcher oder nicht, aber keiner muss dass sein. wichtiger ist dass wir nicht-arschlöcher zusammenhalten, oder?

Ja, eben. Warum regt es dann so auf, wenn jemand sich explizit aus christlichen Motiven heraus entscheidet, kein Arschloch sein zu wollen? Es ist eben nicht so, dass Christ*inn*en stets Homosexualität ablehnen. Ja, genug von ihnen tun es. Das kann, das sollte man kritisieren – wenn und weil sie damit anderen das Leben schwer machen oder weil man Christ*in ist und eine andere Vorstellung von Gott hat als diese Konservativen.

Glaube und Gehorsam sind auch keineswegs identisch. In der gestrigen Predigt haben wir zum Beispiel das genaue Gegenteil gehört, dass unser Gott keiner ist, der Regeln und (Denk-)Verbote liebt, sondern einer, der die Vielfalt ebenso schätzt wie das kritische Denken. Weshalb die „Vertreibung“ aus dem Paradies auch keine Strafe war, sondern eine notwendige Folge des Erwachsenwerdens. Oder sollte die Heterosexualität, die Eva an dieser Stelle mit den Worten auferlegt wird

und dein Verlangen soll nach deinem Manne sein,

als Strafe gemeint sein? Das jedenfalls hätte bisher keiner der konservativen Prediger vertreten.

Das Christentum hat also viele unterschiedliche Strömungen. Die unsympathischen darunter soll man gerne begründet kritisieren. Man mag auch diese oder jede Religion gänzlich ablehnen oder uninteressant finden, aber solche undifferenzierten, an der Sache vorbei gehenden Rundumschläge finde ich einfach nur überflüssig.

10 Antworten to “Die Freiheit zu glauben”

  1. ars libertatis 21. Mai 2012 um 19:58 #

    Ich finde den Artiekl schwer verständlich, wenn man nicht weiss, an was du glaubst (Schöpfung, Leben nach dem Tod) und nicht weiss, was metaphorisch gemeint ist (Paradies, Eva).

    Wenn du vom Berg sprichst, dessen Gipfel man auf viele Arten erreichen kann, meinst du damit, dass auch Odin-Gläubige mit Gott kommunizieren, wenn sie beten oder dass auch Zeus-Anhänger erlöst werden?

    • Damien 21. Mai 2012 um 20:48 #

      Wenn Du wüßtest, an was ich glaube, inwieweit würde Dir das das Verständnis des Artikels erleichtern?
      „Paradies“ und „Eva“ sind Metaphern.
      Das Bild vom Berg: Für mich ist daran wesentlich, dass es den „richtigen“ Glauben nicht gibt, der für alle Menschen gleich gut ist. Ich habe keine Ahnung, ob Odin-Gläubige mit Gott kommunizieren. Was verstehst Du unter Erlösung? Und wie kommst Du vom Berg zur Erlösung?

  2. ars libertatis 21. Mai 2012 um 21:32 #

    @Damien: Vielleicht könnte ich dann besser einschätzen, was du meinst mit „Und nicht bestraft, wenn wir uns gegen ihn entscheiden“ oder „Weshalb die “Vertreibung” aus dem Paradies auch keine Strafe war, sondern eine notwendige Folge des Erwachsenwerdens.“, was ja doch ziemlich mehrdeutige Aussagen sind.

    Zur Erlösung komme ich, weil der Gipfel ja das Ziel des Bergsteigers ist und die Erlösung (z.B. das in-den-Himmel-kommen) das Ziel vieler Gläubiger ist. Wenn also ein Weg auf den Gipfel der christliche ist, könnte man das so interpretieren, dass z.B. auch Odin-Gläubige in den Himmel kommen.

    • Damien 21. Mai 2012 um 22:52 #

      Das mit dem „nicht bestrafen“ bezog sich auf Atacamas Phantasie von den Höllenstrafen, die uns laut christlicher (und anderer) Lehre drohen, wenn wir nicht brav sind. Ich glaube an einen Gott, der Gemeinschaft mit uns sucht und respektiert, wenn wir uns dagegen entscheiden. Das mit dem Erwachsenwerden war ein Bild. Man könnte auch die Geburt nehmen, als anderes Bild. Ein Kind wächst heran im Mutterleib und wird dort genährt. Doch wenn es zu lange dort bleibt, stirbt es. Die „Vertreibung“ aus dem Paradies ist für mich eine Metapher dafür, was passiert, wenn Menschen Erkenntnis suchen. Sie werden fündig, aber das hat auch seinen Preis.
      Erlösung besteht für mich im Ankommen im Hier und Jetzt. Zumindest ist das eine erste Dimension von Erlösung. Und eine, die von Mystikern in allen Religionen beschrieben wird. Im Christentum (und in anderen Religionen) gibt es darüberhinaus eine zweite Dimension, die das Derzeitige übersteigt. Ich glaube, dass dort alle Menschen willkommen sind. Rob Bell beschreibt in seinem im Beitrag erwähnten Buch, dass zwar jeder in diesen Himmel hineindarf, dass er uns aber verändert. Er verwendet das Bild des Abschmelzens von, zum Beispiel, Hass, Gier und Neid, das uns erst bereit macht, den Himmel „auszuhalten“. Das finde ich ein schönes Bild und das schlägt auch den Bogen dazu, warum Menschen heute auch versuchen könnten, „gut“ zu sein. Sie müssten dann später nicht mehr soviel abschmelzen.

  3. subcomandante marcus 22. Mai 2012 um 03:19 #

    „und von allen gründen ein guter mensch zu sein halte ich religion nach wie vor für den bescheuertsten. sowas hat immer mit angst und strafe zu tun, so wie manche ihre kinder erziehen.“

    Woher weiß man das?

    -‚man‘ evt.l nicht, aber ich hab sowas wie lebenserfahrung. und bei christlichen veranstaltungen immer gut zugehört. ich hab sogar in der bibel gelesen (aber mir kaum was merken können, geb ich zu.)

    Ich kenne zahlreiche Menschen, die versuchen, “gut” zu leben, d.h. voller Respekt vor der Freiheit anderer Menschen, ihr Leben selbst zu bestimmen, und die das als Christ*inn*en tun. Angst und Strafe spielen für sie dabei keine Rolle, weil sie gar nicht an einen strafenden Gott glauben – und deshalb auch keine Angst vor ihm haben brauchen.

    -sie seien gebenedeit auf ihrem weiterem lebensweg, mit so leuten hab ich keine ernsten probleme. ich kenne selbst so jemanden, ist ein sympathischer mensch. ich kenn sogar zwei von denen.

    “ die menschen sind entweder arschlöcher oder nicht, aber keiner muss dass sein. wichtiger ist dass wir nicht-arschlöcher zusammenhalten, oder?“

    Ja, eben. Warum regt es dann so auf, wenn jemand sich explizit aus christlichen Motiven heraus entscheidet, kein Arschloch sein zu wollen?

    -weil der/diejenige das nicht aus vernunftgründen gemacht hat. sondern weil das ein jahrtausendealtes buch vorschreibt. woher weiss ich denn wie derjenige sonst so ticken würde, wenn ihm seine religion keine schranken weisen würde? ich halte generell nix von verboten die nur aus angst befolgt werden.

    Es ist eben nicht so, dass Christ*inn*en stets Homosexualität ablehnen. Ja, genug von ihnen tun es. Das kann, das sollte man kritisieren – wenn und weil sie damit anderen das Leben schwer machen oder weil man Christ*in ist und eine andere Vorstellung von Gott hat als diese Konservativen.

    -meine rede. und ich find auch gut wenn du die kritisierst, weil ich das wieso nur von ausserhalb machen würde.

    Glaube und Gehorsam sind auch keineswegs identisch. In der gestrigen Predigt haben wir zum Beispiel das genaue Gegenteil gehört, dass unser Gott keiner ist, der Regeln und (Denk-)Verbote liebt, sondern einer, der die Vielfalt ebenso schätzt wie das kritische Denken. Weshalb die “Vertreibung” aus dem Paradies auch keine Strafe war, sondern eine notwendige Folge des Erwachsenwerdens. Oder sollte die Heterosexualität, die Eva an dieser Stelle mit den Worten auferlegt wird

    und dein Verlangen soll nach deinem Manne sein,

    als Strafe gemeint sein? Das jedenfalls hätte bisher keiner der konservativen Prediger vertreten.

    -siehst du, das schöne bei meiner weltanschauung ist dass mir das drietejlal sein kann. ich muss mir überhaupt nicht den kopf über sowas zerbrechen, mir würd nicht mal so eine frage einfallen. btw: ich empfinde heterosexualität nicht als strafe, aber ich sehe mich da nicht als fundamentalist, mir ist scheissegal wer unter gottes augen spaß im bett hat, hauptsache beide wollen das.

    Das Christentum hat also viele unterschiedliche Strömungen. Die unsympathischen darunter soll man gerne begründet kritisieren. Man mag auch diese oder jede Religion gänzlich ablehnen oder uninteressant finden, aber solche undifferenzierten, an der Sache vorbei gehenden Rundumschläge finde ich einfach nur überflüssig.

    -darfst du auch, ich sehe sowas ganz gemeinnützig als denkanstoss.

    natürlich könnt ihr alle eure religionen von innen neugestalten, euch schönreden, etc., ihr könntet aber auch ganz simpel freiere menschen sein wenn ihr darauf scheisst wie bestimmte religionen über euch urteilen, versucht dass doch einfach mal für z.b. 2 monate?
    was soll denn da schlimmes passieren wenn man im glauben gefestigt ist?

    (schon gut, war ja nur’n vorschlag)

    Konfessionslosenverband gegen „Kultursteuer“

    • Damien 22. Mai 2012 um 13:44 #

      @sub: Dann warst du definitiv auf den falschen christlichen Veranstaltungen 🙂
      Ich glaube nicht, dass sich Vernunft und das alte Buch ausschließen: Die goldene Regel stammt schließlich aus der Bibel.
      Heterosexualität als Strafe? lol – das war ein Witz am Rande…
      By the way: Ich glaube, auch Gott ist es völlig egal, wer Spaß im Bett hat, Hauptsache es gefällt allen Beteiligten. Wie heißt es so schön im Neuen Testament: Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.
      Der Denkanstoss: Was würdest Du sagen, wenn Du total verliebt bist und jemand empfiehlt Dir, Dein Leben doch mal ohne Deine*n Liebste*n zu versuchen?
      Von Neugestalten war nicht die Rede. Für mich ist es eher ein Freilegen von Verschüttetem.
      Wie bestimmte Religionen über mich und andere urteilen, stört mich nur dann, wenn es praktische Auswirkungen auf mein Leben oder das von anderen hat, die das nicht wollen. Das gilt nicht nur für Religionen, sondern natürlich genauso für Staaten und andere Zwangsverbände. Und deshalb setzte ich mich als Christ dafür ein, deren Einfluss zu reduzieren. Um die Freiheit, die Jesus gepredigt hat, noch ungehinderter genießen zu können.
      Ich glaube immer noch, Du arbeitest Dich an etwas ab, das ich gar nicht vertrete. 🙂

  4. ars libertatis 22. Mai 2012 um 12:59 #

    @Damien:

    Zur Strafe: Ich sehe die Analogie nicht. Die Geburt ist ein natürlicher Prozess, der im Laufe der Evolution entstanden ist. Die Vertreibung aus dem Paradies war hingegen das Tun Gottes, d.h. der Preis der Erkenntnis wurde von Gott so festgelegt. Gott hätte die Erkenntnis jedoch gratis anbieten können. Und wenn Gott die Regeln so gestaltet, dass gewisse Handlungen Kosten oder Leid verursachen, kann man durchaus von einer Strafe sprechen.

    Zur Erlösung: Die Erlösung ist also nicht an einen spezifischen Glauben an einen (spezifischen oder unspezifischen) Gott oder Propheten gebunden? Klingt sympathisch.

    • Damien 22. Mai 2012 um 13:51 #

      @ars libertatis: Dann bleiben wir doch besser bei dem Bild mit dem Erwachsenwerden. Um erwachsen zu werden, müssen Kinder sich in der Regel in irgendeiner Weise von ihren Eltern lösen. Das hat seinen Preis. Individuation bedeutet auch Abschied aus einer kuscheligen Nähe.
      Für mich ist auch die Vertreibung aus dem Paradies eine Metapher, mit der Menschen versucht haben, sich zu erklären, wieso wir unsere „Unschuld“ verloren haben.

  5. ars libertatis 22. Mai 2012 um 20:33 #

    @Damien: Ah, OK. Das klingt für mich ganz anders. Danke für die Erklärung.

    • Damien 23. Mai 2012 um 09:44 #

      @ars libertatis: Gerne 🙂 Und Danke für Deine Nachfragen! Ich finde sowas oft hilfreich, um mich selbst besser verstehen zu lernen.

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