Was unmenschlich ist

12 Jun

Noch nie war soviel Regenbogen am Kirchentag. Dem einen oder anderen war das scheinbar zuviel. So beklagt sich bspw. Stefan Schmidt von der „Bruderschaft des Weges“ (ehemals Wüstenstrom):

Der Kirchentag habe die Gemeinschaft ohne jede Diskussion mit ihr ausgeschlossen „und mit uns viele tausend Menschen, die in der Kirche aufgrund der einseitigen Behandlung des Themas Homosexualität alleingelassen werden“.

Erinnert sich jemand noch an die Behauptungen von konservativ-evangelikaler Seite, Schwule seien unfähig zu festen Partnerschaften? Schmidt scheint jetzt einen neuen Vorwurf aus dem Hut zu zaubern:

Stören wir das öffentlich erzeugte Bild des Homosexuellen, der sich in einer eheähnlichen Gemeinschaft verwirklichen will?

Das war doch sonst eher die Argumentation von linken Schwulen, denen die Ehe des Teufels war. Doch Schmidt bleibt sich letztlich doch treu:

Man weise auf „die dunklen Wunden hin, die jeder Homosexuelle eben auch kennt: Promiskuität, Einsamkeit und die Unmenschlichkeit, die dadurch zustande kommt, dass der andere Partner immer einem Ideal von Männlichkeit und Weiblichkeit genügen muss“. (alle Zitate: ideaSpektrum 24.2015, S. 7)

Wie kommt Schmidt dazu, zu behaupten, jeder Homosexuelle kenne Promiskuität? Die Einsamkeit, von der so mancher schwule Christ zu berichten weiß, könnte die nicht auch am Zwang liegen, sich in frommen Gemeinden verstecken zu müssen? Und wieso muss der andere Partner immer einem Ideal von Männlichkeit und Weiblichkeit genügen? Denkt Schmidt, auch homosexuelle Männer seien eigentlich nur auf der Suche nach der richtigen Frau? Natürlich spricht nichts dagegen, wenn sich Schmidt und seine Freunde entschließen, zölibatär zu leben. Meinetwegen sollen sie dafür auch Werbung machen. Aber diese Pauschalaussagen über andere Menschen, wie kann ein Nachfolger Christi sich so äußern?

Noch mehr in der Wortwahl vergriffen hat sich anlässlich des Kirchentags Hartmut Steeb, der Generalsekretär der Deutschen Evangelischen Allianz:

(…) den Mut, auch mit Homosexuellen zu diskutieren, die zölibatär leben wollen, gibt es nicht; eine Auseinandersetzung auf Augenhöhe in fairen Diskussionen zwischen Vertretern der LSBTTIQ-Gemeinschaft und solchen, die das nicht für zukunftsträchtig halten: Fehlanzeige! (a.a.O., S. 17)

Warum auch sollte man mit Leuten diskutieren, die sich mit Pauschalurteilen über eine ganze Gruppe von Menschen selbst für eine sachliche Diskusssion disqualifizieren? Und warum sollte man mit Menschen sprechen, die Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans*, Inter* und Queers („das“, wie Steeb es menschenunwürdig formuliert) nicht für zukunftsträchtig halten? Wie soll eine Auseinandersetzung auf Augenhöhe mit Menschen geführt werden, die anderen die Zukunft absprechen? Und dann bezeichnet Steeb allen Ernstes Homophobie als Phantomgegner (ebenda).

Wie gut, dass es auch im Bereich der evangelischen Freikirchen ermutigendere Entwicklungen gibt. So beteiligen sich die baptisten.schöneberg in diesem Jahr zum zweiten Mal mit einem Stand am lesbisch-schwulen Stadtfest in Berlin, das am 20./21. Juni stattfindet. Der Stand befindet sich in Höhe der Fuggerstraße 10.

Im August ist es auch wieder Zeit für das überregionale Treffen von Zwischenraum. Vom 7. – 9. August treffen sich in einem schön gelegenen Tagungshaus am Rande von Wiesbaden ca. 120 protestantische (landes- wie freikirchliche) und katholische Christ*innen. Unter dem Motto „Nehmt einander an, so wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob“ werden Schwule, Lesben, Bisexuelle und Trans* zusammen Lobpreis machen, eine Bibelarbeit hören, Gottesdienst feiern und Workshops besuchen. Nähere Informationen und die Möglichkeit zur Anmeldung finden sich hier.

Eine Antwort to “Was unmenschlich ist”

  1. heavypete 30. Dezember 2015 um 20:03 #

    Promiskuität ist ein wirkliches Reizthema. Gerade der Linke Teil der Schwulenbewegung agiert auch gegen die Forderung nach der „Ehe für Alle“. Ich habe immer den Eindruck dass es immer um einen Drahtseilakt zwischen Anpassung und Selbstbewußtsein und Stolz auf die eigne Kultur geht. Auch der Jugendwahn der Szene ist für mich ein Reizthema weil ich als androphiler Mann mich von der Flut an Bildern von Jugendlichen Männern unter 30 oder jünger erdrückt fühle. Allerdings habe ich spirituell meine Heimat in einer altkatholischen Gemeinde gefunden. Unserer Bischof ist selbst schwul, und das nicht im Verborgenen und wurde von der Synode dennoch gewählt. Auch können bei uns auch gleichgeschlechtliche Paare den Segen bekommen. Die protestantische Welt ist gespalten. Neulich habe ich etwas über die United Church of Canada gelesen die ähnlich liberal sind wie manche evangelischen Kirchen bei uns in Deutschland auch. Die Welt bleibt „Gott sei Dank“ nicht statisch.

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