Jeder hat das Recht auf Privatsphäre

10 Mai

Ich bin Kanzler der Deutschen, nicht Kanzler der Schwulen.

Dieses ihm zugeschriebene Zitat hat Altkanzler Schmidt in einem Leserbrief an die Welt unlängst dementiert. In einem Interview mit der Welt am Sonntag legt Schmidt jetzt eine Achtung vor dem Privatleben an den Tag, wie sie heutzutage selten ist:

Welt am Sonntag: Haben Sie jemals Adenauers Außenminister Heinrich von Brentano kennengelernt?

Schmidt: Ganz von Weitem. Ich war ein junger Bundestagsabgeordneter, er war ein älterer Herr.

Welt am Sonntag: Er war nie verheiratet, auch deshalb wurden ihm homosexuelle Neigungen nachgesagt.

Schmidt: Das geht mich nichts an.

Und er insistiert:

Welt am Sonntag: Sie waren befreundet mit dem Dirigenten Leonard Bernstein, der Beziehungen zu Männern hatte. Hat er darüber jemals mit Ihnen gesprochen?

Schmidt: Nein. Wenn ich das richtig weiß, war Bernstein bisexuell. Aber wir haben gewiss nicht darüber geredet.

Welt am Sonntag: War es je Thema im Gespräch mit anderen Freunden aus Künstlerkreisen, etwa den Musikern Christoph Eschenbach oder Justus Frantz, mit denen Sie einmal ein Mozart-Konzert auf Platte eingespielt haben?

Schmidt: Nein. Außerdem muss ich Sie darauf aufmerksam machen, dass Sie sich hier auf ein Feld begeben, das eigentlich nicht in die Zeitung gehört. Das ist Privatsache.

Welt am Sonntag: Ich frage deshalb, weil heute viele Homosexuelle offener damit umgehen, auch in der Politik, wenn man an Klaus Wowereit, Ole von Beust oder Guido Westerwelle denkt.

Schmidt: Die haben es selber zum Thema gemacht. Mit denen kann man darüber reden, man kann auch über sie reden, wenn man das will. Ich will das aber nicht.

Welt am Sonntag: Auch bei Politikern sollte das Private privat bleiben?

Schmidt: Ja. Das gilt nicht nur für Homosexuelle, das gilt auch für Heterosexuelle, das gilt für jedermann. Das geht die öffentliche Meinung nichts an.

Schmidt ist konsequent liberal in dieser Frage:

Welt am Sonntag: Wenn ein Politiker den Wert der Familie hochhält und gleichzeitig in Berlin eine Geliebte hat – ist das kein politisches Thema?

Schmidt: Für mich nicht.

Welt am Sonntag: Er würde dadurch nicht unglaubwürdig?

Schmidt: Jeder hat das Recht auf eine Privatsphäre, das gilt für Politiker, das gilt für Priester, das gilt für jeden Menschen.

Insoweit müsste man auch Walter Mixa gegen den Vorwurf der Doppelmoral in Schutz nehmen, sollten sich die jüngst über ihn in Umlauf gebrachten Gerüchte bestätigen, wonach er „homosexuelle Neigungen“ gehabt habe, während er in der Öffentlichkeit den konservativen Hardliner gab. Ob öffentlich Wasser predigen und privat Wein trinken allerdings hilfreich ist für eine integrierte Persönlichkeit, das ist eine andere Frage.

8 Antworten to “Jeder hat das Recht auf Privatsphäre”

  1. islammonitor 10. Mai 2010 um 18:19 #

    Ganz sicher hat jeder Mensch das Recht auf sein Privatleben, egal wie prominent er auch immer sei. Aber es ist ein gewaltiger Unterschied, was ein Künstler in seinem Privatleben treibt oder Kirchenmänner und-frauen, die als obere Moralinstanz letztendlich in das Privatleben anderer hineinregieren. Das gilt in gewisser Weise auch für Politiker. Ich kann mir schlecht einen homosexuellen Familienminister vorstellen oder einen Finanzminister, dessen Hobby es ist, privat Schwarzgeld auf Offshorekonten zu bunkern. Es ist wohl doch so, dass ab einem gewissen Grad an Macht und Prominenz es eigentlich kein Privatleben mehr gibt. Das wissen die Betreffenden, und wenn sie das nicht akzeptieren, dürfen sie nicht in die höchsten Positionen streben. Es zwingt sie keiner dazu.
    Kurz: es ist völlig wurscht, welche sexuelle Orientierung jemand hat, sofern er nicht kraft seines Amtes über die sexuelle Orientierung anderer zu richten oder zu bestimmen hat.

    • Damien 10. Mai 2010 um 21:10 #

      @islammonitor: Was hättest Du für ein Problem mit einem homosexuellen Familienminister? Und würde sich Dein Problem erledigen, wenn er Kinder hätte und mit ihnen und seinem Mann zusammenleben würde?

  2. Thomas Stern 10. Mai 2010 um 18:52 #

    Genau. Solche anrüchigen – äh, Tschuldigung, ich meine: privaten Angelegenheiten sollte man aus den Medien raushalten. Deshalb weiß auch kein Mensch in Deutschland, wie Schmidt’s Ehefrau heißt.

  3. Damien 10. Mai 2010 um 21:44 #

    @Thomas Stern: Von anrüchig ist in dem Interview nicht die Rede. Auch nicht davon, dass man etwas aus den Medien raushalten sollte. Das wesentliche scheint mir Schmidts Plädoyer für den Respekt vor der Privatsphäre anderer Menschen. Dagegen kann man eigentlich nur etwas haben, wenn man Zwangsoutings befürwortet, oder?

  4. Ralf 10. Mai 2010 um 22:17 #

    Das eigentlich Interessante an dem Interview ist: Schmidt fand den § 175 nicht gescheit, aber dessen Abschaffung war für ihn kein Thema. So kann man anscheinend auch Politik machen. Vor allem aber erinnert er sich an jene Koalitionsverhandlungen bemerkenswert schlecht.

  5. Adrian 11. Mai 2010 um 16:00 #

    @ Ralf
    „So kann man anscheinend auch Politik machen.“

    Was heißt „auch“, das ist Politik: Warum hätte sich Schmidt für das Leid einiger Schwulis interesseren sollen? Die stellen schließlich nicht die Mehrheit und nur auf die kommt es in einer Demokratie schließlich an.

  6. Ralf 11. Mai 2010 um 22:07 #

    @Adrian

    Mit der Gesinnung, die Du da beschreibst, kann man heute noch die Juden ins Ghetto stecken und Schwarzen höhere Schulbildung verbieten. Zur freiheitlichen Demokratie passt das nicht. Langsam wird mir klar, was Lafontaine meinte, als er Schmidt Sekundärtugenden bescheinigte. Der Einsatz für Minderheiten z.B. darf wohl als Primärtugend bezeichnet werden.

  7. Thomas Stern 13. Mai 2010 um 13:17 #

    Ich bin mir zugegebenermaßen nicht 100% sicher aber ich glaube, Bernstein ging gegen Ende seines Lebens offen mit seiner Bisexualität um. Dennoch nennt Schmidt sie „ein Feld […] das eigentlich nicht in die Zeitung gehört.“

    Auch seine Bemerkung, nicht über Wowereit et als‘ Homosexualität reden zu wollen, gibt zumindest zu denken. Warum will er nicht darüber reden. Aus Rücksicht über ihre Privatspähre? So, wie man aus Rücksicht über Schmidts Privatsphäre niemals über Loki Schmidt reden sollte?

    Für mich ist es leider recht offensichtlich, daß hier ein Mann spricht, der Homosexualität für anrüchig hält, ob er das Wort nun benutzt oder nicht. Und seine legislative Haltung ihr gegenüber (wie sie in den Äußerungen von Koalitionspartnern dokumentiert ist) spricht dem ja nun wahrlich nicht entgegen.

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