Aus den USA erreichen uns zwei Nachrichten, die ich aus mehreren Gründen nicht nachvollziehen kann:
Wenn ich in eine Bäckerei einen Kuchen für meine Hochzeit kaufen wollte, und mir die Inhaber zu verstehen geben, dass ich ihnen zu schwul sei, wäre ich baff erstaunt und sicherlich auch empört und würde die Inhaber für den größten Idioten de Planeten halten. Mir würde es aber im Traum nicht einfallen, die Inhaber daraufhin zu verklagen, weil ich es nämlich für deren gutes Recht halte, sich in ihrem Geschäft ihre Kunden auszusuchen. Ich würde mich in Grund und Boden schämen, und meines Lebens nicht mehr froh werden, die Privatautonomie und das Geschäft eines Unternehmers durch ein Klage in den Ruin zu treiben. Und es ist ja nicht so, als wäre mir durch die Verweigerung eines Kuchens irgendein Schaden entstanden. Ich wäre einfach zu einer anderen Bäckerei gegangen. Gibt ja genug davon.
Es mag sein, dass es kein Gesetz gibt, dass einen Konditor dazu verpflichtet, obszöne Botschaften auf Kuchen zu schreiben. Aber worin besteht eigentlich der Unterschied zwischen Fall eins und Fall zwei? Wenn es statthaft ist, wegen Diskriminierung auf Grund sexueller Orientierung zu klagen, dann muss es meiner Meinung nach auch einen Grund geben, wegen Diskriminierung auf Grund religiöser Weltanschauung zu klagen. Betrachtet man die Angelegenheit konsistent, müsste dem Christen, dem der Kuchen verweigert wurde, ebenfalls ein Schmerzensgeld zustehen.
Wäre dies nicht der Fall, müsste ich persönlich spekulieren, dass mit zweierlei Maß gemessen wird und die Befindlichkeiten homosexueller Menschen in den Augen des Staates gewichtiger sind, als die von Fundi-Christen. Warum sollte das so sein?
Mit meinem Verständnis von Staat und Recht, Fairness und Gleichbehandlung wäre das jedenfalls nicht vereinbar.
„Wäre dies nicht der Fall, müsste ich persönlich spekulieren, dass mit zweierlei Maß gemessen wird und die Befindlichkeiten homosexueller Menschen in den Augen des Staates gewichtiger sind, als die von Fundi-Christen. Warum sollte das so sein?“
Man könnte argumentieren, dass das eine ein Kaufvertrag und das andere ein Werkvertrag ist. Wenn der Kuchen von der Stange gekauft wird, dann kann dem Verkäufer die Identität egal sein, wenn er hingegen bestimmte Aussagen anfertigen muss, dann könnte das eine „unzumutbare Handlung“ sein.
(wobei ich dem Text nicht entnehmen konnte, ob sie einen Kuchen von der Stange wollten).
@ C
So wie ich das verstehe, kam im ersten Fall ja noch gar kein Kaufvertrag zustande, weil die Bäcker diesen abgelehnt haben.
Hätte das Paar den Kuchen vorbestellt, dann wäre der Bäcker m. E. im Unrecht diesen zu verweigern, weil er dann den Vertrag im Nachhinein brechen will.
„wenn er hingegen bestimmte Aussagen anfertigen muss, dann könnte das eine „unzumutbare Handlung“ sein.“
Und was, wenn es eine unzumutbare Handlung für einen Bäcker ist, einen Kuchen für Homos anzufertigen? Ich finde, er sollte dieses Recht haben.
Hier liegt der Unterschied.
Ich kenne natürlich nicht die dort gültigen Gesetze. Selbst nach deutschem Recht würde ich aber einen Unterschied machen.
Dem Grundgesetz nach darf niemand wegen seines Geschlechts benachteiligt werden. Konsequent zu Ende gedacht darf also auch kein Mensch benachteiligt werden weil er sich zum gleichen Geschlecht hingezogen fühlt. Ein Punkt, den du ebenfalls immer wieder betonst.
Der zweite Fall fällt meiner Ansicht nach aber nicht unter die Religionsfreiheit. Mir ist zumindest kein Fall bekannt in dem ein solcher Kuchen für die Religionsausübung notwendig wäre. Das Ansinnen selbst würde ich als Ausdruck der Meinungsfreiheit betrachten. Allerdings impliziert dieses Recht nicht, dass Menschen mit anderen Ansichten behilflich sein müssen.
Wäre für den Kuchen lediglich die Bibelform, ohne Spruch und Bild bestellt worden sähe die Situation anders aus.
Hier meine volle Zustimmung. Es ist lächerlich, da es mit Sicherheit genügend Alternativen gibt.
@ HansG
„Der zweite Fall fällt meiner Ansicht nach aber nicht unter die Religionsfreiheit. Mir ist zumindest kein Fall bekannt in dem ein solcher Kuchen für die Religionsausübung notwendig wäre.“
Als ich brauche für die Praktizierung meiner Religion genau solche Kuchen…
Und überhaupt: Das lesbische Paar wollte einen Kuchen zur Ausübung ihrer Homosexualität. So könnte man zumindest argumentieren. Hätten sie einen Kuchen für die Hochzeit eines heterosexuellen Paares gekauft, hätte man ihnen den Zugang zu DIenstleistungen nicht verweigert, auch wenn sie lesbisch sind.
Fall A:
„… das festlegt, dass Homosexuellen wegen ihrer sexuellen Orientierung nicht der Zugang zu Dienstleistungen verwehrt werden darf.“
–> Also wegen ihrer sexuellen Orientierung, wohl auch Religion, Weltanschauung…
Fall B:
“Es gibt kein Gesetz, dass einen Kuchenmacher zwingt, obszöne Botschaften auf Kuchen zu schreiben”
Also muss ich einen Kuchen Backen, egal ob er nun auf ner Homo-, Hetrohochzeit, nem Rudelbums mit anfassen gegessen werden soll, evtl. auch auf der Jahresversammlung des KuKluxKlans… Doch soll mich anscheinend niemand dazu zwingen können auf diesen Kuchen „*1 sind *2“ schreiben zu müssen.
*1 Wahlweise Homos/Hetros/Rudelbums/Weisse/Schwarze/Grosse/Kleine/Grüne/Gelbe..
*2 Gut/Schlecht/Doof/Scheisse/nur für Deppen/zum kotzen…
@ Kai
“Es gibt kein Gesetz, dass einen Kuchenmacher zwingt, obszöne Botschaften auf Kuchen zu schreiben”
Ja, aber es gibt offenbar Gesetze, die einen Kuchenmacher dazu zwingen, Kuchen für homosexuelle Hochzeiten zu machen. Nenn mich einfältig, aber ich finde das absurd.
Einfältig! 😀 Du hast es so gewollt 😉
Zurück zum Ernst der Lage… interessant wäre es wenn das Paar einen Kuchen mit einem sich küssenden Homopaar gewollt hätte… Hätte das Backix sagen können „Kuchen ok, aber das papp ich da nicht drauf, kann ich mit meiner Religion/Gewissen nicht vereinbaren…“
Noch interessanter wird es z. B. bei Hotels, kann z. B. ein auf Schwule spezialisiertes Hotel ein Hetropaar ablehnen, oder (nur) umgekehrt, ein „christliches“ Hotel nur kirchlich Verheiratete in Doppelzimmern einquatieren? Was ist mit der Schwulenbar?
Wenn die Bäckerei von vornehrein als christliche Bäckerei fimiert, die Schwulenbar sich als solche von vorn herein zu erkennen gibt etc., sollte eigendlich der Fall klar sein. Doch selbst bei Herrenfriseursalons sieht man ja, auch hier müssen Frauen reingelassen werden:
http://www.telegraph.co.uk/men/fashion-and-style/11254834/All-women-should-be-banned-from-barber-shops.html
weil ich es nämlich für deren gutes Recht halte, sich in ihrem Geschäft ihre Kunden auszusuchen.
Und jetzt stell‘ dir vor: Jeder würde genau das für sein gutes Recht halten – bestimmte Menschen auszuschließen; Du wärst von allen Dienstleistungen ausgeschlossen. Du wärst obdachlos. Dass es Anbietern von Dienstleistungen oder Waren verboten ist, Kunden aufgrund welcher Eigenschaft auch immer (Geschlecht, Religion, Herkunft, Rasse, Sex. Orientierung, etc.) zu diskriminieren hat einen guten Grund.
Ich möchte hier keinen Godwin produzieren, aber was ist, wenn eine kritische Mehrheit dazu kommt, deinesgleichen nicht mehr zu „bedienen“?
„So wie ich das verstehe, kam im ersten Fall ja noch gar kein Kaufvertrag zustande, weil die Bäcker diesen abgelehnt haben.“
Der Gedanke ist dann, dass er einen Verkauf einer „vertretbaren Sache“ (also eines bereits gefertigten oder nicht besonderen Prodkutes) nicht aus diskriminierenden Gründen ablehnen darf. Ist denke ich eine eher amerikanische Sicht.
Quasi eine Art Kontrahierungszwang
„Und was, wenn es eine unzumutbare Handlung für einen Bäcker ist, einen Kuchen für Homos anzufertigen? Ich finde, er sollte dieses Recht haben.“
Meine Idee war ja gerade, dass er den Kuchen nicht für Homos, sondern generell immer wieder anfertigt und des daher ein Kaufvertrag ist. Oder das der Kuchen eben in der Herstellung keine Besonderheiten hat.
Er dürfte dann einen besonderen Kuchen für Homos ablehnen (zB mit Aufschrift), aber nicht seine Standardtorte
@ C
„Er dürfte dann einen besonderen Kuchen für Homos ablehnen (zB mit Aufschrift), aber nicht seine Standardtorte“
Das klingt ja noch absurder 🙂
Beide Prozess-Ansinnen sind Angriffe auf die Privatautonomie – nach liberalem Verständnis kann ein nichtstaatlicher Akteur (also z. B. ein Unternehmer) nicht von Staats wegen gezwungen werden, jeden Kundenwunsch zu erfüllen – zumal es sich ja weder um lebenswichtige Güter oder Dienstleistungen handelt, noch der Anbieter des Gutes bzw. der Dienstleistung ein Monopol innehat.
Für mich ist der Fall klar: ein homophober Bäcker darf einem schwulen Paar genauso die Hochzeitstorte verweigern, wie ein nicht-fundamentalistischer Bäcker dem Fundi-Kunden die Bibeltorte mit Lev 20:13 in Zuckerschrift!
Meiner Ansicht nach sollte das so geregelt sein:
Niemand darf aufgrund von biologischen Merkmalen wie Geschlecht oder sexueller Orientierung von Dienstleistungen ausgeschlossen werden.
Natürlich darf auch niemand aufgrund seiner Religion oder Weltanschauung diskrimminiert werden. Allerdings bedeutet das nicht, dass man jene anderen Menschen aufzwingen darf. Das würde in der Realität auch gar nicht funktionieren, was man an diesem Beispiel gut erkennen kann. In Fall 2 prallen nämlich zwei Weltanschauungen aufeinander: Die des Kunden, welche besagt, dass Homosexualität schlecht ist, und die des Verkäufers, die das gegenteilig sieht. Vor dem Gesetz sind beide Weltanschauungen gleichwertig und „eliminieren“ sich gegenseitig. Von daher kann man dem Bäcker aus Fall 2 nicht vorwerfen seinen Kunden aufgrund der Religion/Weltanschauung zu diskrimminieren. Er teilt sie einfach nur nicht und möchte diese nicht unterstützen, da dies gegen seine eigene Weltanschauung geht.
Dies ist allerings nicht auf Fall 1 übertragbar, da Homosexualität keine Weltanschauung geschweige denn eine Religion ist.
Desweiteren bleibt die Frage ob das homofeindliche Kuchenmotiv unter Hate Speech fällt. Denn Religion ist kein Vorwand um sich über das Gesetz zu stellen. Sonst könnte ja jeder mit seiner eigenen Religion kommen.
@ Janda
„Dies ist allerings nicht auf Fall 1 übertragbar, da Homosexualität keine Weltanschauung geschweige denn eine Religion ist.“
Homosexualität vielleicht nicht, aber was ist mit der Homo-Ehe? Prallt da nicht Weltanschauung A auf Weltanschauung B?
„Desweiteren bleibt die Frage ob das homofeindliche Kuchenmotiv unter Hate Speech fällt.“
„Hate Speech“ halte ich für ein ähnlich fragwürdiges Konzept. Es ist m. E. ein Einfallstor, um bestimmte Gruppen oder Anschaungen von Kritik auszunehmen.
„Denn Religion ist kein Vorwand um sich über das Gesetz zu stellen.“
Das ist aber ein belangloses Argument, wenn man von einem subjektiven moralischen Standpunkt ausgeht.
Wenn du kirchliche Hochzeiten forderst, ja. Die gesetzliche Ehe wurde eingeführt um Menschen unabhängig von religiöser Überzeugung die Eheschließung zu ermöglichen.
@Adrian
„Homosexualität vielleicht nicht, aber was ist mit der Homo-Ehe? Prallt da nicht Weltanschauung A auf Weltanschauung B?“
Keine leichte Frage. Ich denke die Homo-Ehe an sich ist genauso eine Weltanschauung wie die Aussage, dass die Erde eine Scheibe ist oder der Mond aus Käse besteht. Ob die Homo-Ehe denn auch richtig ist würde ich dann wieder eher als Weltanschauung ansehen. Genauso wie man sich fragen kann, ob es nicht besser wäre, wenn der Mond aus Käse bestehen würde.
Aber hier wiegt wohl das Recht auf Gleichberechtigung schwerer als das Recht auf Religionsfreiheit. Was ich auch richtig finde, denn Religion ist eine reine Glaubenssache, während die Gleichberechtigung von Homosexuellen und Heterosexuellen auf sachlichen Argumenten fußt. Von daher finde ich es auch richtig, dass dies unterschiedlich behandelt wird.
Ohje, ich sollte langsam schlafen gehen 😀
Ich meinte natürlich: „Ich denke die Homo-Ehe an sich ist genauso eine Weltanschauung wie die Aussage, dass die Erde rund ist oder der Mond aus Gestein besteht.“
Hier ist die Urteilsbegründung für den ersten Fall.
Von dem was ich über den zweiten Fall gelesen habe, war der Bäcker durchaus bereit dem Christen Kuchen und Dekorationsmaterial zu verkaufen, wollte aber die gewünschte Dekoration nicht ausführen.
Wenn es ein Gesetz gibt, das allen ohne Unterschied Zugang zu Dienstleistungen garantiert, dann ist ein Verstoß dagegen zu ahnden. Das Schmerzensgeld kommt mir allerdings echt amerikanisch vor, d.h. ganz ungerechtfertigt hoch.
Was nun den Unterschied angeht zwischen Fall 1 und Fall 2: Im ersten Fall wollte jemand einen Kuchen kaufen und bekam ihn nicht. Im zweiten Fall bestellte jemand einen Kuchen, wobei er vom Bäcker verlangte, darauf eine Hassbotschaft anzubringen. Mehr braucht man dazu wohl nicht zu sagen.