Eltern und andere Mütter

13 Dez

In der „Basler Zeitung“ habe ich einen schönen Bericht über einen jungen Mann gefunden, der bei zwei Frauen aufgewachsen und – oh Wunder – ein völlig normaler Mensch geworden ist. Was mich persönlich selbstverständlich nicht überrascht, denn die These, ein Kind bräuchte für eine gesunde Entwicklung zwingend Mutter und Vater habe ich noch nie verstanden. Weder die Lebenserfahrung, noch die Biologie, noch unsere zoologische Einordnung als Menschenaffen lassen einen solchen Schluss zu.

Ich bezweifele nicht, dass Kinder Rollenvorbilder brauchen, allerdings halte ich es für überzogen zu glauben, ein Kind würde diese nur über die Eltern erleben:

Was sagt der 31-Jährige, der nach der KV-Lehre mehrere Jahre als Informatiker arbeitete, dann ein Jahr lang Guatemala bereiste und heute von Gelegenheitsjobs und der Imkerei lebt, zu anderen Ängsten der Adoptionsgegner? Wurde er etwa verweichlicht, weil ihm der Mann im Haus fehlte? Gander lacht – und erzählt, von wem er das Rasieren gelernt hat, nämlich von einem früheren Mitbewohner. Auch Susannes Bruder und Vater seien männliche Vorbilder für ihn gewesen. Man lebe ja nicht abgeschottet mit seinen Eltern, sondern habe ganz unterschiedliche weibliche und männliche Bezugspersonen.

Wobei sich mir die Frage stellt, was der eigentliche Wert von Rollenvorbildern, bzw. konkreter, von Geschlechtsrollenvorbildern ist. Sicher, Kulturkonservative werden in Gander das perfekte Beispiel sehen, warum ein Junge einen Vater braucht. Man schaue sich diese Typen nur mal an! Lange Haare, offensichtlich links-alternativ eingestellt und irgendwie schwul wirkt er auch, oder? Er ist halt kein richtiger Mann.

Doch was ist ein richtiger Mann, überhaupt? Jemand der Waffen gut findet? Fremd geht? Im Stehen pinkelt?

Ich selbst habe in meinem Leben dutzende männliche Bezugspersonen gehabt, einschließlich meines Vaters. Und? Was können wir jetzt daraus schließen?  Dass es zu wenige waren, weil ich  schwul bin? Dass mich diese Männer nicht männlich genug erzogen haben, weil ich im Sitzen uriniere? Andererseits war ich bei der Bundeswehr und der beste Mann an der Panzerfaust. Hmmm, eine lobenswerte männliche Eigenschaft, nicht wahr? Muss wohl daran liegen, dass meine Mutter keine Lesbe ist…

6 Antworten to “Eltern und andere Mütter”

  1. Atacama 13. Dezember 2012 um 18:52 #

    Ich finde dieses Geschrei der konservativen nach echten Männern, so röchtigen harten Kerlen irgendwie und die Verklärung dieses Männerbildes (welches auch immer das ist, da hat jeder andere Definitionen, hab auch mal gelesen, dass ein echter Mann breite Schultern haben muss und eine Schlägerei gewinnen muss :D) zum Folgen und Anlehnen irgendwie auch ziemlich schwul.

    Die Geschichte finde ich sehr rührend, wie er das so erzählt.

    Ich denke, dass Vater und Mutter insofern gut sind, weil das Kind ja von ihnen beiden abstammt und man natürlich darauf hofft, dass sie sich deshalb auch besonders bemühem, allerdings passiert das in vielen Fällen ja auch nicht.
    Wenn man von Rollenvorbildern und Zweigeschlechtlichkeit redet, steht dahinter doch eigentlich immer ein extrem reaktionäres Menschenbild, dass Geschlechtern bestimmte zwingend vorhandene Eigenschaften zuschreibt, aber das hatten wir hier ja schon mal vor einiger Zeit.

    Mutter: lieb, sanft, zärtlich, tröstend, bringt dem Kind emotionale Intelligenz bei und häusliche Eigenschaften (dem Jungen aber bitte nicht zuviel davon)

    Vater: rauh, kämpferisch, bringt dem Kind Ellenbogeneinsatz, Kampfkraft, handwerkliches und „harte Eigenschaften“ bei, dem Mädchen aber bitte nicht zuviel davon..

    Dass Eltern immer die (Haupt-)vorbilder sind, glaube ich garnicht mal. Da wird sich meistens auch, teilweise sogar hauptsächlich aussen orientiert, hat vielleicht auch was it der notwendigen Abnabelung zu tun.
    Und muss nicht unbedingt bedeuten, dass am Verhältnis was nicht stimmt. Manchmal hat man einfach ein andere Naturell als seine Eltern oder ein Elternteil.
    Ein Freund von mir z.B dessen Eltern hyperesoterische Heilpraktiker/Reikimeister irgendsowas sind, ist das totale Gegenteil, Informatiker, interessiert sich nur für Technik und hat mit Handauflegen und Heilsteinen und „Besinnlichkeit“ absolut nichts am Hut. So wie ich das sehe und höre, haben er und seine Eltern aber ein sehr gutes Verhältnis.

    Gut finde ich auch die Sache mit der Selbstbefriedigung. Da gabs doch mal einen Arzt oder so, der lesbische Adoption mit dem Argument verhindern will, dass Lesben Penisse/Männer hassen und deshalb nicht damit umgehen können, wenn der Sohn eine Erektion hat oder sich selbstbefrieidgt und sie das mitkriegen XD.

  2. Yadgar 13. Dezember 2012 um 20:22 #

    Ein rrrrrrrrichtiger Mann, der schießt waagerecht mit der Flak in wehrlose Dörfer und isst sich anschließend an per Bajonett erlegtem zarten Polenkinderfleisch satt. Ein rrrrrrrrrrichtiger Mann, der tötet ohne die geringste Gefühlsregung dreitausend Männer, Frauen und Kinder, indem er die Dose mit dem Blausäuregranulat in den Einfüllschacht entleert, und zündet sich anschließend in aller Seelenruhe eine Zigarette an. Ein rrrrrrrrrrichtiger Mann, der weiß zu töten und zu sterben!

  3. Atacama 14. Dezember 2012 um 23:33 #

    Schreib mal was über den Papst bitte. Der hat doch wirklich ein Rad ab.
    Wie nennt man das? Schwarmdummheit?
    Mich erinnert das an ein Simpsons-Zitat.

    „Sir, ich glaube, Sie sind vor Macht verrückt geworden.“
    „Natürlich. Ohne Macht macht Verrückt-Sein doch keinen Spaß – es hört einem ja keiner zu.“

    http://www.queer.de/detail.php?article_id=18112

    Es übersteigt jegliche Vorstellungskraft bei mir, mich da hineinzudenken. Bin ich zu gottlos? Erkenne ich die extreme Gefahr die von Homosexuellen für den Frieden ausgeht einfach nur nicht? Was läuft da ab?
    Was genau ist das verf…. Problem?

  4. lalibertine 17. Dezember 2012 um 10:38 #

    Danke für den interessanten Beitrag. Was Kinder brauchen sind psychisch stabile, liebevolle Erwachsene, die Ihnen Geborgenheit und Selbstsicherheit vermitteln. Ob das eine(r) oder zwei sind, ob homo oder hetero ist doch piepegal.

  5. piracetam 20. Dezember 2012 um 22:16 #

    Dieser Trivialmythos mit all seinen unglückseligen Wucherungen ist natürlich eine große männliche Selbsttäuschung. Der in den Köpfen festsitzende stereotype Mythos heißt einfach: es ist doch sonnenklar, dass ein richtiger Kerl es einfach in den Gliedern hat, wie man einen hoch kriegt, die Mädels heiß macht und eine geile Nummer liefert. Eine solche Ansicht trieft jedoch von verlogener Forschheit: Wenn Mann nicht über sexuelle Probleme spricht, gibt es auch scheinbar keine, und jeder Mann bleibt damit schrecklich allein.

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