Nachdem gestern in ersten Reaktionen auf die Papst-Wahl die Hoffnung artikuliert wurde, der neue Papst würde Reformen voranbringen, heißt es jetzt im Radio, neben seiner Ablehnung sowohl der Homo-Ehe als auch einer stärkeren Mitsprache von Frauen erwarteten Kirchenreformer von ihm eine konservative Politik. Nun galt bereits Benedikt XVI. nicht gerade als Reformer, von daher könnte man sich zurücklehnen und als Nicht-Katholik meinen, es gebe eben nichts Neues unter der Sonne Roms. Die von Franziskus zu erwartende
Kritik an den Auswüchsen des Kapitalismus
wäre auch nichts Überraschendes. Weder würde er sich darin von seinen Vorgängern unterscheiden, noch vom Mainstream deutscher Politik. Merkwürdig finde ich nur, dass Franziskus in den 70ern offenbar noch etwas anderer Ansicht war, ohne dass nachvollziehbar wäre, wie es zu dem zwischenzeitlichen Sinneswandel kam – ein Schelm, wer da an Zeitgeist dächte:
1973 bis 1980 war Bergoglio Oberer der argentinischen Ordensprovinz der Jesuiten und widersetzte sich damals energisch der marxistischen Befreiungstheologie. Nicht zuletzt auch wegen seines Widerstandes gegen einige marxistisch angehauchte Mitbrüder und die daraus entstandenen Konflikte wurde er versetzt.
Was auch immer unter Widerstand zu verstehen ist:
Während der Militärdiktatur kam es zu weiteren Entführungen und Misshandlungen von Seminaristen, Mitarbeitern des Colegio Máximo San José und politischen Aktivisten in San Miguel, einige davon unter Beteiligung des Jesuitenpaters Martín González. Betroffene und Zeitzeugen sind der Ansicht, dies hätte nicht ohne das Wissen Bergoglios geschehen können, der während seiner Amtszeit als Ordensprovinzial seinen Sitz im Colegio Máximo hatte.
Angesichts dieser Debatten kann man gespannt sein, wie Franziskus hiermit umgeht:
Opfer von sexuellem Missbrauch innerhalb der katholischen Kirche fordern den neuen Papst zu Reformen auf. „Der Heilige Franziskus war der größte Reformer der Kirche in der Geschichte, Papst Franziskus muss dasselbe tun“, forderte die US-Organisation Netzwerk der Überlebenden von Missbrauch durch Priester (SNAP) in einer am Mittwoch (Ortszeit) veröffentlichten Erklärung. SNAP erklärte, Millionen Kinder seien bis heute gefährdet, von katholischen Priestern missbraucht zu werden, weil die Kirche ihre Politik der Vertuschung noch nicht beendet habe. Die Organisation verwies auf zahlreiche Missbrauchsfälle im Jesuitenorden, dem der neue Papst entstammt. Franziskus habe „sowohl eine große Gelegenheit als auch die Pflicht“ dabei zu helfen, sexuellen Missbrauch an Kindern durch katholische Geistliche zu verhindern. In Lateinamerika sei wenig über den Missbrauchsskandal bekannt, kritisierte SNAP. Die Organisation hofft, dass Franziskus die Namen schuldiger Priester in seiner Erzdiözese Buenos Aires offenlegt.
Eine erste Reaktion aus dem Vatikan lässt wenig Hoffnung übrig:
Vatikan-Sprecher Lombardi warf der Organisation und anderen Aktivisten vor, „negative Vorurteile“ zu hegen.
Beim Thema Ehe-Öffnung hingegen darf man getrost sicher gehen, dass die Formulierung Vorurteile angesichts der bisherigen Äußerungen von Franziskus eine Untertreibung wäre. Wer die Öffnung der Ehe für Schwule und Lesben als
Versuch, Gottes Plan zu zerstören
bezeichnet, steht ganz offensichtlich auch in der ideologischen und Hass predigenden Nachfolge von Benedikt XVI. Und das lässt nichts Gutes erwarten für die Regentschaft des bescheidenen Lateinamerikaners. Dabei würde ein kurzer Blick in die Bibel auch Franziskus eine Neu-Orientierung sicher erleichtern (Vers 26):
Immer wieder finde ich die Ansicht, stärker als der Tod sei die Frau. Denn: Sie ist ein Ring von Belagerungstürmen und ihr Herz ist ein Fangnetz, Fesseln sind ihre Arme. Wem Gott wohlwill, der kann sich vor ihr retten, wessen Leben verfehlt ist, wird von ihr eingefangen.
Wohin diese Rettung aus römischer Sicht erlaubt wäre, darüber könnte man dann zukünftig vielleicht doch mal ins Gespräch…?
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