Das Wort zum Sonntag (Invokavit)

20 Feb

Die Erklärung Walter Mixas, die sexuelle Revolution sei mitverantwortlich für den Kindesmissbrauch durch Geistliche des Jesuiten-Ordens, findet Unterstützung durch Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU). Wie die Süddeutsche meldet, ist Merk

Mixa sehr dankbar für diese klare Stellungnahme, weil es ein Tabu sei, über sexuellen Missbrauch zu sprechen und weil uns jede öffentliche Diskussion weiterbringt und den Opfern hilft.

Mal abgesehen davon, dass ein Tabu schon lange keines mehr ist gesamtgesellschaftlich, wenn an allen Ecken und Enden postuliert wird, man müsse dieses Thema endlich enttabuisieren, es also, wenn überhaupt, ein Tabu ist über sexuellen Missbrauch durch Geistliche zu sprechen und auch das vermutlich nur innerhalb der Kirche, da das Thema in der säkularen Presse regelmäßig begierig aufgegriffen wird, ist das natürlich eine ziemlich eigenwillige Vorstellung davon, wie öffentliche Diskussionen vorangebracht werden können und den Opfern geholfen werden kann. Keineswegs ist jede Diskussion produktiv, kommt es doch auf den Inhalt des Diskutierten an. Wenn Eberhard von Gemmingen bspw. den Holocaust mit dem sexuellen Kindesmissbrauch durch Jesuiten auf eine Stufe stellt, bringt das die Diskussion über die Ursachen sexuellen Kindesmissbrauchs nicht im Geringsten voran. Auch eine weitere Äußerung Merks wirkt nicht gerade zielführend im Hinblick auf das Ziel einer Aufarbeitung des Kirchen-Skandals:

Sie sehe deshalb in Mixas Worten „keine unglückliche Formulierung, sondern den Versuch einer Erklärung“.

Vielleicht wollte sie sagen, dass es sich bei seinen Worten um den unglücklichen, weil misslungenen, Versuch einer Erklärung handelt? Das würde bedeuten, Mixa hätte eigentlich eine gute Absicht verfolgt mit seinen Äußerungen, habe das Leid der Opfer, die Verantwortung der Täter und seiner Kirche dafür gesehen und eine Zukunft im Sinn, in der sich solche Vorfälle möglichst nicht wiederholen. Diese Voraussetzungen jedoch scheinen mir nicht gegeben. Nichts in den Äußerungen von Mixa deutet darauf hin. Statt dessen sehe ich den Versuch, andere verantwortlich zu machen für die Verfehlungen in den eigenen Reihen.

Kritik an Mixa kommt von Merks Koalitionspartner:

Die Generalsekretärin der bayerischen FDP, Miriam Gruß, erklärte, statt sich um eine ehrliche Aufarbeitung der Missbrauchsfälle zu bemühen, zeige Mixa mit dem Finger auf andere. Ausgerechnet dort, wo die sexuelle Revolution nie stattgefunden habe, solle sie schuld am Kindesmissbrauch sein.

„Dass Bayerns Justizministerin diese Äußerungen auch noch lobt, verschlägt einem die Sprache“, sagte Gruß nach einer Mitteilung ihrer Partei.

Doch Mixa erhält auch innerkirchlichen Beistand:

Der Vorsitzende des Diözesanrats der Katholiken in Augsburg, Helmut Mangold, verteidigte Mixa. Dieser habe seine tiefe Erschütterung über die Taten deutlich gemacht und sein Bedauern geäußert, dass Täter oft viel zu sehr geschützt würden.

Würde dazu aber nicht auch gehören, die Verantwortung für die Taten in der eigenen Organisation zu suchen und zu übernehmen, statt ausgerechnet bei erklärten Feinden?

Die derzeitige Diskussion entwickle sich von einer wichtigen Sachdiskussion in eine „verallgemeinernde Kirchenschelte“.

Das mag wohl sein, dass der Eine oder Andere die Gelegenheit nutzt, um seinen schon länger vorhandenen Hass auf die Kirche loszuwerden. Aufgabe von Mixa, Mangold und Kollegen wäre es aber doch, sich darüber nicht larmoyant zu beklagen, sondern eigene Beiträge zu der von Mangold vermissten dringend notwendigen Sachdiskussion zu machen – und zwar  ohne billige, wohlfeile und verallgemeinernde Gesellschaftskritik. Bevor man also die sexuelle und gesellschaftliche Freiheit anderer angreift und denunziert, nur weil man selbst nicht mit der anvertrauten Verantwortung umgehen kann, sollte man sich zuvor noch einmal Matthäus 7,3 in Erinnerung rufen. Ansonsten wird man mit Werbekampagnen wie der aktuellen von Misereor

Mit Zorn und Zärtlichkeit an der Seite der Armen

bei immer mehr Menschen nur noch zynische Reaktionen hervorrufen. Denn die Armen sind nicht nur in der Ferne, sondern auch hinter unseren Kirchentüren zu finden. Armut ist  schließlich nicht nur ein materielles Problem, man kann sie auch am Fehlen von sozialen Ressourcen erkennen. Und wenn mit der von Misereor propagierten gelebten Solidarität nicht das Ausnutzen von Abhängigkeitsverhältnissen und kindlichem Vertrauen gemeint ist, wird es Zeit, dass die römisch-katholische Kirche ihren Umgang mit dem Thema sexuellen Kindesmissbrauchs in den eigenen Reihen nachhaltig verändert. Damit eines Tages Jesu Worte aus Matthäus 19,14 nicht mehr Spott hervorrufen und zweideutige Witze, sondern wieder als die Einladung verstanden werden können, als die sie gemeint sind.

4 Antworten zu “Das Wort zum Sonntag (Invokavit)”

  1. admontmonks 20. Februar 2010 um 21:25 #

    Sie unterstellen Bischof Mixa „billige, wohlfeile und verallgemeinernde Gesellschaftskritik“. Haben sie das ganze Interview gelesen, Kann man einfach googlen und man muss sich nicht auf die verkürzte Version vom Spiegel verlassen. Hier der Link:
    http://www.augsburger-allgemeine.de/Home/Nachrichten/Politik/Artikel,-Mixa-Sexuelle-Revolution-mitschuldig-an-Missbrauch-_arid,2072808_regid,2_puid,2_pageid,4290.html
    Mixa ist erschüttert und betroffen. Zitat: „Sexueller Missbrauch durch Geistliche ist ein besonders abscheuliches Verbrechen.“
    Er sagt den Satz: „Wir haben in den letzten Jahrzehnten gerade in den Medien eine zunehmende Sexualisierung der Öffentlichkeit erlebt, die auch abnorme sexuelle Neigungen eher fördert als begrenzt.“ Das ist meiner Meinung nach EHER vorsichtig formuliert.
    Ich finde es wichtig und VERANTWORTLICH, dass Bischöfe sich jetzt zu Wort melden und nicht ihren Mund halten; Schweigen wäre jetzt schlimmer. Sie gehen dabei natürlich immer in die Gefahr, vom Spiegel und von gaywest verkürzt zitiert zu werden. LG Ihr Frater Ulrich

  2. Ralf 20. Februar 2010 um 22:59 #

    Als die Leiterin des kath. Kindergartens, in den ich ging, eine Nonne, mich 1967, d.h. als ich 5 Jahre alt war, auf der Jungentoilette zu bearbeiten pflegte, gab es noch keine sexuelle Revolution. Immerhin gewann ich damals Einblicke in das innerste Wesen der kath. Kirche – und da hat sich offenkundig bis heute nichts geändert. Es geht dieser Bande immer nur um zwei Dinge: erstens sich am Geld ihrer Mitglieder und am Geld des Staates bereichern; zweitens die Sexualität beherrschen, indem sie Laien auszuleben verboten wird, während Kleriker sie hemmungslos und unter Missbrauch ihrer Stellung ausüben.

  3. Adrian 21. Februar 2010 um 12:01 #

    @ admontmonks

    aus Mixas Interview:

    „Sexueller Missbrauch von Minderjährigen ist leider ein verbreitetes gesellschaftliches Übel, das in vielfältigen Erscheinungsformen von der Familie bis zur Schule oder zum Sportverein auftritt. Die sogenannte sexuelle Revolution, in deren Verlauf von besonders progressiven Moralkritikern auch die Legalisierung von sexuellen Kontakten zwischen Erwachsenen und Minderjährigen gefordert wurde, ist daran sicher nicht unschuldig. Wir haben in den letzten Jahrzehnten gerade in den Medien eine zunehmende Sexualisierung der Öffentlichkeit erlebt, die auch abnorme sexuelle Neigungen eher fördert als begrenzt.“

    Also, eine Verkürzung kann ich hier nicht erkennen. Das ganze Zitat macht Mixas Aussagen sogar noch dämlicher. Denn im Prinzip stimmt – außer dass es Bewegungen gab, die forderten, den Sex mit Kindern zu legalisieren – eigentlich gar nichts. Denn weder ist sexueller Missbrauch in der Gesellschaft verbreitet, noch fördert die „Sexualisierung“ bestimmte sexuelle Neigungen.

  4. Ralf 21. Februar 2010 um 13:20 #

    Was Mixa mit „abnormen sexuellen Neigungen“ meint, bedarf wohl keiner weiteren Ausführung, und dass er es in typisch katholischer Manier mit sexuellem Missbrauch Schutzbefohlener und Abhängiger koppelt, auch nicht. Die übliche Hetze gegen Schwule aus den Reihen der Kinderschänderbande. Lieben können Typen wie Mixa, Sterzinsky, Meisner, Ratzinger und wie diese Figuren alle heißen nicht – hassen desto besser.

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