In einer jüngsten Studie aus dem britischen Königreich gaben 36 Prozent von 4486 Erwachsenen an, sie fänden Homosexualität „immer“ bzw. „meistens“ „falsch“, wobei mit „falsch“ wohl gemeint ist, dass diese Leute, Homosexualität als eine nicht akzeptable Form der Sexualität und menschlicher Beziehungen ansehen. 1983 waren noch 62 Prozent dieser Meinung. Ein Fortschritt also, welcher der ausgelutschten Weltschmerzattitüde, dass alles immer schlimmer werde, Lügen straft.
Zum Ergebnis selbst möchte man meinen: Na schön, wenn 36 Prozent der Briten Homosexualität für falsch halten, dann sollen sie halt nicht mit dem gleichen Geschlecht ins Bett gehen. Es zwingt sie ja schließlich keiner dazu. Doch so einfach ist die Sache natürlich nicht, denn die Geschichte lehrt uns, dass Menschen ihre persönlichen Antipathien selten als Privatangelegenheit ihrer selbst betrachten, sondern statt dessen in bester totalitärer Manier, Sanktionen für all das fordern, was ihnen nicht in den Kram passt. Leider äußert sich die jüngste Studie nicht dazu, wieviele von den 36 Prozent bereit wären, Homosexualität wieder mit Strafen zu belegen.
Wer sich allerdings zu der Studie äußerst ist Peter Tatchell, jener Mann, der einerseits furchtlos für die Gleichberechtigung Homosexualler kämpft – und das auch in solchen Deppenstädten wie Moskau – andererseits zuweilen etwas über das Ziel hinaus schießt, und Homosexualität schon mal als einzige Rettung für unseren geplagten Planeten empfielt.
Tatchell jedenfalls wundert sich über die jüngsten Ergebnisse, hatte er doch die Zahl derjenigen, die Homosexualität für falsch halten, als weitaus niedriger eingeschätzt. Dabei gibt er selbst zu, dass jenes (ungefähre) Drittel, seit vielen Jahren relativ konstant bleibt.
Ohne mich jetzt selbst auf die Brust zu klopfen, kann ich Tatchells Verwunderung nicht teilen. Sicher, die 36 Prozent, erscheinen auf den ersten Blick recht hoch, diese Zahl relativiert sich aber, wenn man sie einerseits mit der Umfrage von 1983 vergleicht, und sich andererseits vergegenwärtigt, dass die moderne Schwulenbewegung erst gut 40 Jahre alt ist.
Dazu kommt noch ein weiterer Punkt, der vielen Homos allerdings naturgemäß gar nicht so recht bewusst zu sein scheint: Als Schwuler kennt man sich mit Homosexualität, deren Geschichte und Umstände recht gut aus – mal mehr, mal weniger – aber ganz sicher sehr viel mehr, als die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung. Es kann nicht schaden, sich immer wieder klar zu machen, dass es für eben diese Mehrheit schlicht und einfach kaum einen Grund gibt, sich mit der Thematik Homosexualität überhaupt zu beschäftigen. Warum auch? Wenn ich mir bspw. vergegenwärtige, dass ich, was das Leben von Lesben, und die Geschichte weiblicher Homosexualität anbelangt, so gut wie schimmerlos bin – und zugegeben auch wenig Anlass sehe, mich mit dem Thema zu beschäftigen, warum auch? – wie soll es da erst dem Durchschnitts-Hetero ergehen? Welchen Anlass gibt es für ihn, sich mit Schwulen und Lesben zu beschäftigen?
Wir sollten es eben so sehen, wie es ist: Für den gewöhnlichen Hetero gibt es einfach keinen Anlass dazu. Wenn er keine schwulen Freunde, Bekannten oder Kinder hat (oder glaubt, keine zu haben), warum sollte ihn das Thema interessieren?
Man verstehe mich nicht falsch. Ich plädiere als Lösungsansatz nicht dafür, dass jeder Hetero sich nun mit dem Sein und der Geschichte der Homosexualität auseinandersetzen muss, ganz gewiss nicht. Tatsache scheint es aber zu sein, dass eben der Umstand, mit Schwulen und Lesben nicht näher in Kontakt zu kommen, seinen Teil mit dazu beiträgt, dass Mythen und Halbwahrheiten bestehen bleiben. Und bitte sage mir keiner, es sei heutzutage gar nicht möglich, mit Schwulen nicht in Kontakt zu kommen. Au contraire, das ist sehr wohl möglich! Wenn es Homos schaffen – und da kenne ich durchaus einige persönlich – die Heterowelt weitgehend zu meiden, und keinerlei Kontakte privater Art mit Heteros zu unterhalten, dann ist das umgekehrt erst Recht möglich. Wir sind nun mal die Minderheit!
Summa summarum bleibt uns also gar nichts übrig, als weiter zu pushen, uns bemerkbar zu machen, immer wieder präsent zu sein und beständig die Mythen, Vorurteile und Verleumdungen aufzugreifen und zu kontern. Dann wird es schon irgendwann gelingen, die Zahl derjenigen, die Homosexualität ablehnen, auf ca. 25 Prozent zu drücken – ich schätze, das wird so im Jahre 2030 der Fall sein. Meine persönliche Meinung ist aber auch, dass danach Schluss ist. Noch niedriger wird diese Zahl nicht werden. Warum?
Nun, verifizieren kann ich diese These nicht, aber meine bescheidene Lebenserfahrung sagt mir, dass bei einem Viertel der Menschheit eh Hopfen und Malz verloren ist, dass ein Viertel der Menschheit sich gegenüber jegliche Aufklärung als immun erweist. Ich verweise in dem Zusammenhang nur auf unseren Liebling Philipp Gut. Ja, auch in zwanzig Jahren wird er sich noch bitter über den Kult um die Homosexuellen beklagen. Und wenn er es nicht tut, dann wird es ein anderer machen. Garantiert!
ich bin ja immer noch ganz beduselt von der feststellung, dass einige menschen homosexualität „meistens“ falsch, also offenbar manchmal falsch und manchmal richtig finden (wie immer man „mostly“ übersetzen mag, die frage bleibt dieselbe).
was ist wohl hier das kriterium? „ich finde homosexualität sonntags und an ungeraden tagen falsch“? „homosexualität – okay, aber nicht bei evangelischen taxifahrern“? oder geht es mal wieder um die faszinierende frage, ob es männer oder frauen vor dem geistigen auge treiben?
o wei, letztlich gehöre ich ja sogar selber in diese gruppe. homosexualität – gerne, aber nicht mit jedem!
Ich habe mal nach der Studie gesucht und in der Version von 2008 ist sie tatsächlich kostenlos herunterladbar (nämlich hier: http://www.bradford.ac.uk/acad/ssh/staff/departmental/duncan_s/Ch1_Duncan_Phillips_FINAL.pdf).
Der Autor geht dabei wesentlich differenzierter vor, als die Medien es wiedergeben (und erklärt auch indirekt, was das „meistens“ soll). Insbesondere fragt er auch, ob die Befragten homosexuelle Freunde oder Verwandte haben und setzt das zu den anderen Daten in Beziehung. „Hopfen und Malz verloren“ ist demnach (im Jahr 2006) nur bei 18 Prozent, meist ältere Männer.
Sein Fazit ähnelt sehr dem, was Adrian schreibt:
„Earlier we outlined the way in which individualisation theorists can see gay men
and lesbians as role models for more widespread change (e.g. Roseneil and
Budgeon, 2006). While this may be the case, it does seem that this effect may
be limited by the relative paucity of significant personal contact between many
straight people and gay men and lesbians. Moreover, while there has been a
substantial liberalisation of attitudes towards homosexuality, this may reflect
public tolerance rather than active approval and personal acceptance.“
36 Prozent halten Homosexualität „mostly“ oder „always“ für falsch, dagegen 49 Prozent für „rarely“ oder „never wrong“. Ich finde das Ergebnis ganz beachtlich, weil das ja zum einen Einstellungen sind (und damit meine ich die 36 Prozent), deren Existenz man zwar bedauern kann, deren Veränderungen man aber nicht erzwingen kann und sollte; und zum Anderen haben bei derselben Studie immerhin 38 Prozent der Befragten angegeben, dass sie es missbilligen würden, wenn Mütter mit Kindern arbeiten gehen.
Allerdings ist mir immer noch nicht ganz klar, wie die Frage gestellt wurde, und was genau dabei unter „Homosexualität“ eigentlich zu verstehen ist – oder bleibt das dem Verständnis des jeweils Befragten überlassen? Es gibt nämlich eine ganze Reihe von Fällen, in denen ich Homosexualität keineswegs „richtig“ finde, z.B. wenn sie mit Zwang verbunden ist oder bei (homo)sexuellen Kontakten mit Kindern. Natürlich kann man dagegen einwenden, dass das Verurteilenswerte dabei nicht die Homosexualität selbst ist – aber bei Antwortmöglichkeiten wie „rarely“ oder „mostly“ würde ich als Befragter zumindest beginnen, über solche Fälle nachzudenken (das gilt natürlich auch für den heterosexuellen Fall, aber darüber wird ja kein Mensch befragt).
@martin
Naja, bei der Studie, die ich oben angegeben habe, die die Vorgängerstudie zu der aktuellen zu sein scheint (die aktuelle Studie selbst ist ja leider nur gegen Bezahlung zu bekommen) und bei der vermutlich die gleichen Fragen gestellt wurden, wurden zwei Fragen gestellt:
Erstens „Homosexual relations are always wrong“, worauf dann nur starke Zustimmung (18 Prozent) oder Ablehnung gewertet wurden.
Zweitens „what about sexual relations between two adults of the same sex?“ mit den Antworten „mostly/always“ usw., hier wurde also nach konkreten Sexualakten gefragt und Kindesmissbrauch explizit ausgeschlossen.
Der Autor interpretiert das dann so:
„The initial impression is of widespread tolerance. […] Tolerance declines, however, when we ask our second question, which focuses on actual sexual relations, rather than relationships in general terms. […] This inconsistency suggests a difference between tolerance – something not approved of can be tolerated – and acceptance – where there is no disapproval.“
@ Mathis:
Danke, dass Du Dir die Mühe gegeben hast, die Studie für mich noch einmal aufzubereiten. Ich selbst war wohl nicht findig genug 🙂
Übrigens finde ich den Hinweis des Autors auf den Unterschied von Toleranz und Akzeptanz sehr wichtig (allerdings habe ich nicht den Eindruck, dass er diese Begriffe einheitlich verwendet): Toleranz kann es schließlich nur dort geben, wo es auch Ablehnung gibt. Das sei hier nur einmal mehr gegen die übliche Begriffsverwirrung festgehalten.