Totaliarititär oder wie das heißt

14 Nov

Völlig überraschend kommt das nicht:

Österreichs Bischöfe haben nach ihrer Herbstvollversammlung im Salzburger Stift Michaelbeuern die Ergebnisse vorgestellt: Sie lehnen Abtreibungen, die eingetragene Partnerschaft für Homosexuelle und das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR), das für Italien das Aufhängen von Schulkreuzen untersagt, ab. Das Kreuz-Urteil erinnere an „religionsfeindliche totalitäre politische Systeme“ und gebe „Anlass zu berechtigter Sorge“.

In seiner geballten Dreistigkeit allerdings ist es dann doch überraschend. Wie kann man einerseits fordern,

dass das menschliche Leben von seinem Beginn an den vollen Schutz der österreichischen Rechtsordnung genießen müsse

und andererseits längst geborenem Leben die rechtliche Anerkennung von Partnerschaften verweigern? Mal ganz abgesehen davon, dass es die Kirche nichts angeht, wer von Staats wegen heiraten darf.

Der Gipfel aber ist die „Ablehnung“ des Urteils eines weltlichen Gerichts, als wenn wir nicht längst eine Trennung von Staat und Kirche hätten, und die „Erinnerung“ und „Sorge“ von wegen Totalitarismus. Totalitär wäre es, wenn alle Schulen gezwungen würden, Kreuze aufzuhängen. Was aber soll daran totalitär sein, wenn staatliche (!) Schulen keine religiösen Symbole aushängen dürfen? Zweifel am Geisteszustand derer, die eine solche Erklärung zu verantworten haben, dürften erlaubt sein. Oder ist das jetzt auch schon totalitär?

7 Antworten to “Totaliarititär oder wie das heißt”

  1. Blub 14. November 2009 um 23:31 #

    Wieso ist die eine Richtung totalitär (Kreuze überall) und die andere nicht (Kreuze verboten)? Nicht totalitär wäre nur, wenn es lokal entschieden wird, nach Geschichte und Mehrheitsverhältnissen. Letztlich würde ich den Bischöfen auch zusätzlich soweit recht geben, dass Säkularisierung nicht bedeuten kann,
    a) lokale traditionelle Symbole zu verbieten und
    b) dass sie nur einseitig geschieht, wie heute, wo es immer nur heisst, das Christentum darf nicht, aber andere Religionen dürfen alles mögliche. Kreuz verboten, aber Kopftuch erlaubt, das kann nun nicht sein. Aber so ist es immer wieder. Und da krieg auch ich als Atheist nen Hals. Europäische Symbole zeigen verletzt also die Menschenrechte?!!?!

  2. Adrian 15. November 2009 um 11:10 #

    Das Kreuz ist kein „europäisches“ sondern ein christliches Symbol. Dieses in einer staatlichen Schule aufzuhängen verletzt die religiöse Neutralität des Staates. Und diese wurde eingeführt, weil man schlechte Erfahrungen mit der Verbindung von Staat und Religion gemacht hat, gerade in Europa.

  3. Blub 15. November 2009 um 13:40 #

    Nun, wir haben fast überall in Deutschland Religionsunterricht, inzwischen z.T. auch islamischen, in den Schulen, also die Trennung von Religion und Schule erschließt sich mir da nur bedingt. Auch wenn man Geschichte, Philosophie oder Literatur nimmt, so kommt dort laufend auch ein religiöser Bezug ins Klassenzimmer, der in der Geschichte der Länder nicht zu leugnen ist. Die ganze deutsche Geschichte ist geprägt von der christlichen Religion (jüdischen sowie antiken Vorläufern) und auch der Emanzipation von der Religion. Insofern ist das Kreuz auch ein deutsches und europäisches Symbol.

    Ich vermute, das unterschiedliche Verständnis rührt daher, dass ich im Westen aufgewachsen bin und Ihr ja im Osten, soweit ich weiss. Insofern denkt man zu der Sache auch in Italien und anderen Westländern anders. Als Schüler war ich sicher ganz auf Eurer Linie. Meine Reaktion auf Religion war Fundamentalatheismus.

    In Anlehnung an die DDR könnte man auch sagen, man hat schlechte Erfahrung mit der Fundamentalopposition zu Kreuzen im Klassenzimmer gemacht… Andererseits wurde da ja auch letzlich nur einer anderen Bibel als der christlichen (plus Symbole entsprechend der Ideologie) gehuldigt 😉

  4. Adrian 15. November 2009 um 23:56 #

    ICH bin im Osten aufgewachsen, aber das hat damit eigentlich nichts zu tun. Die Trennung von Staat und Kirche gehört zu meinen Prinzipien und bisher hat noch niemand ein Argument gebracht, das mich eines anderen überzeugt hätte.

    Im Übrigen bin ich mitnichten ein „Fundamentalatheist“. Laizismus, Säkularisierung und Atheismus sind verschiedene Dinge. Meiner Meinung nach müssten gerade gläubige Menschen ein Interesse daran haben, dass der Staat sich nicht in Glaubensangelegenheiten einmischt.

  5. derkaeptn 16. November 2009 um 20:53 #

    o_O
    Die Kernaussage des Eintrags ist doch wohl, dass sich die Bischöfe erlauben, „Totalitäritat“ gegen ihre Glaubensymbole anzukreiden, aber gleichzeitig auch kein Deut besser sind, wenn es um das Verbieten von Abtreibung und gleichgeschlechtlicher Partnerschaft geht.
    Es geht doch überhaupt nicht um den Vergleich: Wer darf mehr? Islam oder Christentum?

  6. Thomas 19. November 2009 um 16:01 #

    Ich hab früher in der Schule, in Bayern, vorgeschlagen das Kreuz abzuhängen – ich wurde dezent „überhört“.

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  1. Rückzugsgefecht gegen die Welt | fxneumann · Blog von Felix Neumann - 14. November 2009

    […] Die österreichische Bischofskonferenz sieht gar einen totalitären Staat am Horizont (via Gaywest): In letzter Konsequenz führt diese einseitige Sicht des Gerichtshofes dazu, dass die […]

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